Am 30. Juni 2017 steht der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Bündnis 90/Grüne) strahlend in einem Konfettiregen. Er ist am Ziel eines langen politischen Kampfes angekommen: Der Bundestag hat soeben die "Ehe für alle" beschlossen. Diese rechtliche Gleichstellung für Lesben und Schwule wird auch als "Homo-Ehe" bezeichnet.
So wurde auch schon die "Eingetragene Lebenspartnerschaft" genannt. Ein 2001 eingeführtes Rechtskonstrukt für Lesben und Schwule - mit vielen Pflichten und einigen Rechten. Die wirkliche Gleichstellung kommt jedoch erst mit der Öffnung der Ehe.
Die Gleichstellung im europäischen Vergleich
Deutschland ist 2017 spät dran in Europa mit dieser rechtlichen Gleichstellung: Das Nachbarland Niederlande öffnete bereits im Jahr 2000 als weltweit erstes Land die Ehe für alle. Dann folgten Spanien (2005), Norwegen (2008), Schweden (2009), Island (2010), Portugal (2010), Dänemark (2012), Belgien (2013), Frankreich (2013) und Luxemburg (2014). Selbst im katholischen Irland entschied 2015 die Bevölkerung per Referendum mit einer klaren Mehrheit für die Öffnung der Ehe.
Merkel räumt ein Wahlkampfthema ab
Vor der Bundestagswahl 2017 zeichnet sich im Sommer ein Wahlkampfthema für Grüne und SPD ab: die Forderung nach einer vollständigen rechtlichen Gleichstellung für Lesben und Schwule. Auch die Liberalen sind dafür - also alle potenziellen Koalitionspartner der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hat sich lange gegen eine Gleichstellung gesträubt. Nun gibt sie diesen Widerstand auf.
Plötzlich geht es ganz schnell
So kommt es, dass Merkel auf einer Podiumsdiskussion am 26. Juni 2017 auf Nachfrage sagt, dass eine Abstimmung im Bundestag "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung" gehe. Das heißt, ohne Fraktionszwang können dann alle Abgeordneten frei entscheiden. Was Merkel wohl überrumpelt, ist, wie schnell das Gesetz kommt.
Bereits vier Tage später stimmt der Bundestag auf seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause ab. Die Grünen bringen zusammen mit der SPD, die damals mit der Union regiert, und den Linken erneut einen bereits vorhandenen Gesetzentwurf ein. 393 Abgeordnete stimmen dafür, darunter 75 Unionsabgeordnete. Merkel gehört zu den 226, die dagegen stimmen.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Kerstin Hilt
Redaktion: Matti Hesse/Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. Juni 2022 an den Bundestagsbeschluss der "Ehe für alle". Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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