26. Januar 1982: Unter Polizeischutz fahren die ersten Laster auf eine umzäunte Baustelle im Wendland. Der Bau des Atommüll-Zwischenlagers Gorleben beginnt. Das niedersächsische "Zonenrandgebiet" zwischen Elbe und DDR-Grenze scheint dafür der ideale Standort zu sein - ländlich und dünn besiedelt.
Doch das sehen die örtlichen Bauern anders. Seit Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) 1977 die Baupläne verkündet hat, gibt es immer wieder Proteste gegen das 21 Fußballfelder große Projekt. Am Tag nach dem Baubeginn besetzen etwa 60 Demonstranten ein Wiesenstück, das direkt vor dem DDR-Grenzzaun liegt.
Protest zeigt Wirkung
Die Wiese gehört zum Ost-Territorium und ist daher für West-Grenzer verbotenes Gelände. Es ist die erste Anti-AKW-Demonstration auf dem Boden der DDR. Damit schafft es das 500-Seelen-Dorf in die Weltnachrichten. Der jahrelange Protest hat auch früher schon Wirkung gezeigt.
Ursprünglich sollte ein "Nukleares Forschungszentrum" entstehen, das neben dem Zwischenlager zusätzlich ein Endlager, eine Wiederaufbereitungsanlage und eine Brennelementefabrik umfassen sollte. Schließlich lenkte Ministerpräsident Albrecht ein und zog seine Zustimmung für das Zentrum zurück.
Dennoch wurde der Salzstock in Gorleben weiter erkundet und blieb damit ein möglicher Kandidat für ein Endlager. Und an einem wurde festgehalten: ein Zwischenlager für hoch radioaktive Stoffe.
Erster Castor-Transport
Trotz der Proteste geht die Anlage in Betrieb. Doch der Widerstand bleibt. Besonders heftig ist er im April 1995, als die ersten sogenannten Castoren angeliefert werden. Das sind Schutzbehälter französischer Bauart, in denen strahlende Uran-Brennstäbe transportiert und gelagert werden.
Die Castoren werden per Eisenbahn und Lkw aus dem Kernkraftwerk Philippsburg in Baden-Württemberg nach Gorleben gebracht. Die Atomkraftgegner:innen versuchen, den Transport zu behindern. Dazu gehört eine Blockade der letzten 27 Kilometer vom Bahnhof Dannenberg zum Zwischenlager. Doch die Polizei macht den Weg für den Konvoi frei - auch mit Wasserwerfern und Schlagstöcken.
Warten auf ein Endlager
Der 13. und letzte Castor-Transport findet 2011 statt. Mehr als 100 Blockaden verzögern die Weiterfahrt. Der Zug braucht 126 Stunden, so lange wie nie zuvor. Das Land Niedersachsen beziffert die Kosten auf mehr als 33 Millionen Euro.
Zwei Jahre später schließt das Standortauswahlgesetz weitere Einlagerungen von hoch radioaktiven Abfällen in Gorleben aus. Und inzwischen steht fest: Kein Endlager im Salzstock Gorleben, weil er aus geologischen Gründen nicht infrage kommt. Das Erkundungsbergwerk wird bald zugeschüttet.
Derzeit bewachen 60 Beschäftigte in Gorleben 113 Castoren. Diese sollen solange dortbleiben, bis ein zentrales Endlager existiert. Das soll 2050 der Fall sein.
Autor des Hörfunkbeitrags: Kay Bandermann
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. Januar 2022 an den Baubeginn des Zwischenlagers Gorleben. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 27.01.2022: Vor 35 Jahren: Gorbatschow fordert "Demokratie" für die Sowjetunion