Über drei Jahrtausende hat die Menschheit nach geeigneten Methoden gesucht, um Intelligenz zu testen. Gesichtszüge wurden analysiert, Köpfe vermessen, Gehirne gewogen. Lauter Tests mit zweifelhaften Ergebnissen.
Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt der Franzose Alfred Binet einen Fragenkatalog, der das Denkvermögen von Kindern bestimmt. Seitdem gilt die Erfindung des ersten Intelligenztests als sein Hauptverdienst. Doch das alleine wird Binet nicht gerecht, denn er besticht durch eine unglaubliche Vielseitigkeit in seiner Forschung.
Kind aus gutem Haus
Geboren wird Binet 1857 in Nizza. Wie viele Kinder aus gutem Haus studiert er in Paris zunächst Rechtswissenschaften, dann Medizin und Biologie. Die Entwicklung des Intelligenztests ist ein langer Prozess. Zunächst befasst er sich mit Psychopathologie, der Lehre von den Leiden der Seele. Er arbeitet in der Salpêtrière, eine der bekanntesten psychiatrischen Anstalten Europas und forscht zu Hypnose und Hysterie.
1889 gründet Binet an der Sorbonne ein psychologisches Laboratorium, an dem er sich mit der Intelligenzmessung von Kindern beschäftigt: Erste Probandinnen sind seine zwei Töchter. Dabei fällt ihm auf, dass die Mädchen je nach Alter unterschiedlich auf die Aufgaben reagieren. Seine Schlussfolgerung: Persönlichkeit und Lebensalter müssen bei einer Bewertung berücksichtigt werden.
1904 kommt der entscheidende Auftrag: Das französische Bildungsministerium bittet Binet, ein Verfahren zu entwickeln, um Schulkinder mit besonderem Förderbedarf zu identifizieren. Gemeinsam mit seinem Kollegen Theodore Simon macht er sich an die Arbeit.
Intelligenz in 30 Aufgaben
Heraus kommt der weltweit erste, standardisierte Intelligenztest für Kinder und Jugendliche. Er besteht aus 30 Aufgaben mit wachsendem Schwierigkeitsgrad - etwa: unterscheide rechts und links (ab 6 Jahren) oder zähle von 20 rückwärts (ab 8 Jahren). Aus den richtig gelösten Aufgaben errechnet sich eine Punktzahl, die das geistige Alter des Kindes anzeigen soll. Damit ist auch der Grundgedanke des Intelligenzquotienten (IQ) gelegt.
Der Binet-Simon-Test hat immensen Einfluss, nicht nur in Frankreich. In seiner Folge entsteht eine ganze Testmaschinerie - Intelligenztests für Einwanderer, Hunde und Manager sind nur einige Beispiele. Binet, der am 18. Oktober 1911 mit nur 54 Jahren in Paris stirbt, würde diese Entwicklung wohl kritisch sehen, denn er warnte stets davor, zu viel und Falsches in die Ergebnisse zu interpretieren.
Dennoch werden bis heute Intelligenztests genutzt, um die richtigen Bewerber für die richtigen Stellen zu rekrutieren. Die Verfahren entscheiden über den sportlichen, politischen und wirtschaftlichen Erfolg - vor allem im westlichen Ausland, wo derartige Tests bis zu 20 Mal häufiger eingesetzt werden als in Deutschland.
Autoren des Hörfunkbeitrags: Veronika Bock / Ulrich Biermann
Redaktion: Gesa Rünker
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