Nach dem Angriff Nazideutschlands auf Polen aktivieren die Briten eine Notfall-Liste. Rekrutiert werden Männer vom Typ "Professor". Unter ihnen ist auch Alan Turing. Der Mathematiker ist gerade aus den USA zurückgekehrt, wo er an der Princeton University promoviert und das Mathematik-Genie John von Neumann sowie Albert Einstein kennengelernt hat.
Turing wird nach Bletchley Park berufen - ein kleiner Ort bei London, wo die Briten an der Entschlüsselung des Codes der deutschen Chiffriermaschine "Enigma" arbeitet. Diese setzt die Wehrmacht an allen Fronten zur geheimen Nachrichtenübermittlung ein. Es gibt 159 Millionen Millionen Millionen mögliche Kombinationen. Turing knackt den Code trotzdem - mithilfe einer Maschine, die nach ihm benannt wird: der "Turing-Bomb".
Ungewöhnliche Begabung
Geboren wird Alan Turing am 23. Juni 1912 in London. Seine Mathe-Noten lassen nicht darauf schließen, dass er in diesem Fach einmal brillieren wird. Dafür begeistert er sich für Planetenbahnen und Schimmelpilze - und liest sich als Sechstklässler durch Einsteins Relativitätstheorie.
Zwei Jahre später erkennt sein Mathe-Lehrer, dass Alan eine ungewöhnliche Begabung hat: Er kann Methoden erkennen, die den Lösungsweg verkürzen. Das hilft ihm auch am King's College in Cambridge, wo Turing Mitte der 1930er-Jahre studiert: Mit 23 Jahren entwickelt er das theoretische Konzept für einen programmierbaren Computer.
Software entwickelt
Der Umsetzung seiner Idee kommt Turing mitten im Zweiten Weltkrieg näher, als er 1943 in den USA das Gegenstück der Amerikaner zu seiner "Bomb" besichtigt. Das US-Modell funktioniert elektronisch - ganz ohne mechanische Teile.
Nach Kriegsende setzt Turing seine Einsichten an der Universität Manchester um. Als Vize-Direktor der Computerabteilung arbeitet er an der Software für einen der ersten Computer, den "Manchester Mark 1".
Schwere Depressionen
Turing fragt sich, ob die "elektronischen Gehirne" tatsächlich auch intelligent sein können. 1950 entwirft er einen Test, mit dem sich das herausfinden lassen soll. Bis heute gilt der Turing-Test als entscheidende Hürde für jede Form von künstlicher Intelligenz.
Dann endet die Karriere des Computerpioniers abrupt: Turing wird wegen seiner Homosexualität angeklagt. Nach den Moralvorstellungen der damaligen Zeit kommt er deshalb für eine Anstellung bei der Regierung nicht mehr infrage.
Damit das Verfahrens eingestellt wird, stimmt Turing 1952 eine Hormonbehandlung zu. Infolge der chemischen Kastration leidet er unter schweren Depressionen. Zwei Jahre später begeht Alan Turing Suizid. Der konkrete Anlass dafür ist bis heute unklar.
Autor des Hörfunkbeitrags: Martin Herzog
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. Juni 2022 an Alan Turing. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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