Menschen, die nur mit ein paar Habseligkeiten über Grenzen in Ungewisse gehen, weil sie es in der Heimat nicht mehr aushalten: Die hat es immer gegeben. Seit Jahrtausenden fliehen sie vor Verfolgung, Hunger und Krieg. Aber das Versprechen, dass sie Schutz finden werden, ist neu: Am 28. Juli 1951 wird auf einer UN-Sonderkonferenz die Genfer Flüchtlingskonvention vereinbart.
Traumatische Erfahrungen
Vorangegangen sind dramatische Jahrzehnte: Oktoberrevolution und Nazi-Herrschaft entwurzeln Millionen, Verhandlungen darüber, welcher Staat wie viele Menschen ins Land lassen soll, sind wenig erfolgreich. So auch bei der Konferenz von Evian 1938: Die Teilnehmer weigern sich, konkrete Zusagen für die Aufnahme deutscher Juden zu machen - eine moralische Katastrophe. Und jetzt, nach Ende des Zweiten Weltkrieges, ziehen neue Flüchtlingsströme durch Europa.
Niemand darf abgewiesen werden
Die Konsequenz: Staaten sollen nicht selbst darüber entscheiden, wer Schutz bekommen soll. Stattdessen verpflichten sie sich, jeden Flüchtling aufzunehmen - also jeden, der etwa wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugungen in der Heimat verfolgt wird. Eine radikale, revolutionäre Idee.
Immer neue Flüchtlingskrisen
Dafür bekommt das UN-Flüchtlingshilfswerk, das mit der Konvention begründet wird, 1954 den Friedensnobelpreis. Die Idee bewährt sich auch, als der ungarische Volksaufstand, die Entkolonialisierung und die Taliban-Herrschaft in Afghanistan Menschen in die Flucht treiben. 50 Millionen Menschen sind so geschützt worden, teilt das UNHCR mit.
An der Grenze zurückgeschickt
Aber die Konvention hat auch Schwachstellen. Krieg als Fluchtgrund wird im Abkommen nicht genannt, genau so wenig wie Naturkatastrophen oder Epidemien. Die Teilnehmer der Genfer Konferenz haben die europäischen Nachkriegs-Flüchtlinge und Vertriebenen vor Augen. Von Klimawandel oder jahrzehntelangen Bürgerkriegen ahnen sie noch nichts.
Außerdem gibt es kein Gericht, das die Einhaltung der Konvention kontrolliert und darüber wacht, dass Flüchtlinge menschenwürdig behandelt werden. Damit gibt es auch keine Sanktionsmöglichkeiten gegen Staaten, die ihre eigenen, subjektiven Maßstäbe beim Asylverfahren im Land anlegen oder Flüchtlinge gleich an der Grenze zurückschicken.
"Jubiläum mit Trauerflor"
Eine Tendenz, die sich seit 2015 in Europa verstärkt - und heftig kritisiert wird. "Flüchtlingspolitik ist vor allem Flüchtlingsabweisungs- und Abschiebungspolitik geworden", klagt Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung". Er sieht wenig Grund, die Verabschiedung der Genfer Konvention vor 70 Jahren zu feiern, auch wenn ihr inzwischen mehr als 140 Staaten beigetreten sind. Für ihn ist das Datum ein "Jubiläum mit Trauerflor".
Autorinnen des Hörfunkbeitrags: Anja und Doris Arp
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. Juli 2021 an die Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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