Oktober 1806: Napoleons Truppen haben Preußen vier Tage zuvor bei Jena geschlagen, als Christoph Hufeland aus dem Bett geholt wird. Königin Luise verlangt, dass ihr Leibarzt sie auf der Flucht begleitet - er gehorcht. Für seine erboste Frau, die ihm mit den Kindern nach gereist ist, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie reicht die Scheidung von dem Mann ein, dem der Beruf wichtiger zu sein scheint als die Familie.
Tatsächlich ist Hufeland, am 12. August 1762 in Langensalza geboren, das, was man heute einen "Workaholic" nennen würde. Schon als junger Arzt in Weimar versorgt er alle Stadtbewohner und die Landbevölkerung dazu, ist oft bis tief in die Nacht unterwegs. Aber er findet noch die Zeit, eine Lehre zu entwickeln, die schnell von prominenten Patienten wie Goethe, Schiller und Herder bekannt gemacht wird: die Makrobiotik.
Von der natürlichen Heilkraft des Körpers
Dabei geht es Hufeland nicht nur um eine bestimmte Ernährungsweise. Er tritt dafür ein, mit den Kräften vernünftig umzugehen, die Nerven zu schonen und die Seele zu stärken. Der Geist ist für Gesundheit und langes Leben genauso wichtig wie der Körper. Dass er auch ein gutes Eheleben für wichtig hält, das ihm selbst versagt bleibt: Ironie des Schicksals.
Bestsellerautor und Leibarzt
Was er verkündet, ist keine Revolution. Vieles ist schon im Altertum bekannt und nur verloren gegangen. Aber in einer Zeit, in der Aderlässe und andere brachiale Methoden Standard sind, werden Hufelands Ideen von der Naturheilkraft begierig aufgegriffen. Sein Buch "Die Kunst, das Leben zu verlängern" erscheint 1796, wird sofort ein Bestseller und sogar ins Chinesische übersetzt.
Kampf gegen den Scheintod
Hufeland ist jetzt eine Berühmtheit und wird mit Angeboten und Ehrungen überhäuft. Er lehrt in Jena, wird Mitglied der Leopoldina, geht als Leibarzt an den Königshof in Berlin - dem russischen Zaren hat er dafür abgesagt. In Berlin übernimmt er auch die Leitung der Charité.
Nebenbei macht er Hausbesuche, versorgt 30 bis 40 Kranke pro Tag. Vor allem die Armen liegen dem Tiefgläubigen am Herzen: Er fordert eine eigene Sozialversicherung für sie, versucht, die hygienischen Bedingungen zu verbessern, unter denen sie leiden. Damit nicht genug: Er kämpft für eine geregelte Leichenschau und die Schulgesundheit, wirbt für die Pockenimpfung und die Heilkraft des Wassers - und schreibt darüber, in insgesamt 400 Schriften.
Ein Leben im Dauerstress
Er weiß selbst, dass er sich viel zumutet. Mit 36 Jahren erblindet er auf einem Auge, aber er hält fest an seinem Leben zwischen Politik, Lehre und Barmherzigkeit. Er stirbt am 25. August 1836 mit 74 Jahren in Berlin, hoch geachtet und tief betrauert, und wird auf dem Dorotheenstädter Friedhof bestattet. Bis heute wird er als einer der Vordenker der Naturheilkunde geehrt.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Kerstin Hilt
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. August 2021 an den Arzt Christoph Hufeland. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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