Zu seiner Zeit war er der größte Gebäudekomplex in Europa. Heute fällt es schwer, Legende und Wahrheit auseinanderzuhalten: Waren die Päpste dort ausschließlich prunk- und verschwendungssüchtig und politisch vom französischen König abhängig? Hatten sie sich völlig von christlichen Werten abgekehrt? Urteile zeitgenössischer Dichter wie Petrarca und Boccaccio scheinen dies zu nahezulegen.
Doch das ganze Bild ist differenzierter: Als Sitz der Päpste erlebt die Stadt Avignon im 14. Jahrhundert einen enormen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Für Bau und Ausstattung des Palasts werden viele Handwerker und Künstler benötigt. In den knapp 70 Jahren, in denen sieben Päpste in Avignon residieren - Benedikt XII. ist der zweite in dieser Reihe - kann sich die Institution des Papsttums in einer unruhigen Zeit neu definieren und aufblühen, unter äußerst angenehmen Umständen für den Papst und seinen wachsenden Hofstaat.
In Avignon erschaffen sich die Päpste ein "kleines Rom". Für sie ist der Wohnort nicht so entscheidend, denn schon aus dem 13. Jahrhundert stammt das Sprichwort: "Ubi papa, ibi Roma - Wo der Papst ist, da ist Rom!"
Redaktion: Ronald Feisel