Sie landen zwar versehentlich im Hof des Hauses in einem stillgelegten Toilettenhäuschen, dennoch kriechen von hier aus 57 Ost-Berliner am 3. und 4. Oktober 1964 durch den 80 cm hohen Schacht in den Westen. Bereits am zweiten Tag fliegt das Projekt auf. Ein inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit hat sich unter die Gruppe der Fluchtwilligen gemischt. DDR-Grenzsoldaten kommen hinzu, beim Schusswechsel wird Unteroffizier Egon Schultz, 21, tödlich getroffen.
Die SED weiß das propagandistisch auszuschlachten, feiert Egon Schultz als Märtyrer und klagt einen der "West-Berliner Terroristen und Grenzverletzer" als Todesschützen und Mörder an. Erst nach der Wiedervereinigung wird öffentlich, was das DDR-Regime jahrzehntelang als Staatsgeheimnis hütet: Nicht der Flüchtlingshelfer Christian Zobel, sondern ein DDR-Grenzsoldat hat im Dunkeln die tödlichen Schüsse abgegeben.
"Tunnel 57" gilt heute als der längste, tiefste und teuerste Fluchttunnel, der in Berlin gegraben wurde.
Redaktion: Ronald Feisel