Heute nennt sie sich Vera, zumindest im Internet, wo sie ihre Dienste auch anbietet – als Domina. Ihr bürgerliches Leben gab die 72-jährige Karolina Leppert auf, als sie 46 war. Damals, 1991, hatte sie in Nürnberg alles, was sie sich, vor allem aber was sich ihre Mutter für sie gewünscht hatte: eine gut funktionierende Ehe, eine wohl geratene Tochter, ein Haus, zwei Autos, regelmäßige Urlaubsreisen. Aber nach einer Krebserkrankung mit Ende dreißig kamen der damaligen Bezirksvertreterin einer Versicherung immer öfter Zweifel: Sah so das Leben aus, das sie sich gewünscht hatte? Seite an Seite mit Ehemann, Tochter und der mit im Haushalt lebenden eigenen Mutter? Zumal ihre Mutter ihr schon früh vorgehalten hatte, dass sie eines Tages "als Hure in der Gosse enden würde", wenn sie, die Mutter, sie nicht davon abhalten würde. Weil Karolina angeblich die Gene ihres Vaters in sich trug, der ein Kleinkrimineller war. Als Karolina Lepperts eigene Tochter das Abitur gemacht hatte, brach sie mit ihrem idyllischen Leben in Nürnberg und zog in die Heimatstadt ihres Vaters nach Berlin. Um sich dort sehr bewusst für einen Weg ins Rotlichtmilieu zu entscheiden – so, wie ihre Mutter es ihr immer prophezeit hatte. Nur ahnte die Mutter nicht, dass Karolina Leppert diese Entscheidung nie bereuen würde.
Redaktion: Michael Rüger