Beethovens vierte Sinfonie stand von Beginn an im Schatten ihrer großgewachsenen Schwesterwerke Nr. 3 und Nr. 5 – wie ein schüchternes Gänseblümchen zwischen zwei Mammutbäumen, oder, wie Robert Schumann es formulierte, "wie eine schlanke griechische Maid zwischen zwei Nordlandriesen".
Beglückende Liebschaften oder finanzielles Kalkül?
Tatsächlich schließt die Vierte mit ihrem entspannten Charakter direkt an die ersten beiden Sinfonien an. Die Musikwissenschaft hat dafür eine ganze Reihe von Erklärungen bemüht, die von beglückenden Liebschaften bis zu finanziellem Kalkül reichen. Dokumentiert ist jedenfalls, dass Beethoven nach einem im Voraus bezahlten Kompositionsauftrag unter Zugzwang stand und statt der fünften zunächst die übersichtlichere vierte Sinfonie vollendete. Vermutlich war es ihm auch ganz recht, sich selbst und dem Publikum nach der "Eroica" etwas Entspannung zu gönnen.
Die von Schumann konstatierte "Schlankheit" lässt sich in mehrfacher Hinsicht nachvollziehen, etwa in der Dauer, der fast kammermusikalischen Verwendung der Holzbläser und im allgemein heiteren Tonfall. Zu Beginn ist davon allerdings nichts zu spüren. Dunkel und zögernd, fast wie schlaftrunken tastet sich die langsame Einleitung voran. Schon möchte man wieder in die Kissen zurücksinken – da klingelt der Wecker, der Komponist springt hellwach aus dem Bett, los geht’s!
Fast ein "Lied ohne Worte"
Mit energischen Auftakten feuern sich die Geigen an, munter hopst das Fagott nebenher. So gut gelaunt erleben wir Beethoven selten. Für den Mittelteil hat er sich eine besondere Idee einfallen lassen: Grundiert von einem Pianissimo-Paukenwirbel kommt die Musik fast zum Erliegen, bevor die Motive wieder zusammenwachsen und mit Macht die Rückkehr des Hauptthemas feiern.
Der langsame Satz strömt als kantables Adagio dahin, fast wie ein "Lied ohne Worte". Dass die unendliche Melodie nicht in Schönheit erstarrt, ist dem Begleitmotiv zu verdanken, mit dem der Satz auch beginnt. Das derbe Scherzo dagegen lebt von der Spannung zwischen dem Dreiertakt und einem thematischen Gedanken, der nicht recht in diesen Takt passen will. Das rastlose Finale schließlich feiert die Freude an der Bewegung mit jagenden Sechzehntelketten und dem steten Pulsieren der Begleitung.