In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wurde es für Ludwig van Beethoven erstmals ernst – sehr ernst. Zwar hatte er sich mit dem Umzug von Bonn nach Wien von seinem trunk- und ruhmsüchtigen Vater emanzipiert und sich in den Salons als Pianist und aufstrebender Komponist etabliert. Doch ab 1800 machten sich erste Anzeichen einer Krankheit bemerkbar, die für einen Musiker normalerweise (zumindest künstlerisch) einem Todesurteil gleichkommt: der Taubheit.
Hoffnungslos und Missverstanden
Tatsächlich spielte Beethoven im sogenannten "Heiligenstädter Testament" – einem Brief, den er an seinen Bruder schrieb, aber nie abschickte – sogar mit Selbstmordgedanken: "So nehme ich den Abschied von Dir, und zwar traurig. Die Hoffnung, wenigstens bis zu einem gewissen Punkte geheilt zu sein, muss mich nun gänzlich verlassen. Selbst der hohe Mut, der mich oft in den schönen Sommertagen beseelte, ist verschwunden. Wann, o Gottheit, kann ich ihn im Tempel der Natur und der Menschen wieder fühlen? Nie? Nein, das wäre zu hart." Auch das Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber versuchte der Komponist hier zu erklären: "O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch haltet, wie unrecht tut ihr mir!" Umso bemerkenswerter, dass seine erst kurz zuvor entstandene zweite Sinfonie rein gar nichts von dieser Verzweiflung vermuten lässt – ganz im Gegenteil. Ob die heitere, stellenweise überschäumende Musik als eine Art Anti-Reaktion auf Beethovens Krankheit zu verstehen ist, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen; ihre ersten Skizzen reichen schon ein paar Jahre zurück. Doch immerhin schrieb er während der Arbeit seinem Freund Franz Gerhard Wegeler: "Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen. Ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht!"
Den Blick auf Größeres gerichtet
So stellt diese Sinfonie trotz – oder Dank – ihres positiven Charakters ein "kolossales Werk von einer Tiefe, Kraft und Kunstgelehrsamkeit wie sehr wenige" dar, wie ein zeitgenössischer Rezensent meinte. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin ist sie durchweg raffinierter und ungleich detailfreudiger. Gleichzeitig liebäugelt Beethoven hier erstmals mit größeren Formen: Der langsame zweite Satz weist eine für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Länge auf, ebenso die Einleitung zum ersten Satz, die bereits viele motivische Bausteine der folgenden Musik enthält.
An dritter Stelle führt Beethoven erstmals ein Scherzo anstelle des eher bedächtigen Menuetts ein, das bisher in Sinfonien vorherrschte. Wer zu dieser Musik mit ihren Akzentverschiebungen und "falschen" Betonungen zu tanzen versucht, kommt schon nach wenigen Sekunden aus dem Takt. Ungeheuer dynamisch geht es auch im Finale weiter, das mit flinken Trillern und großen Sprüngen Beethovens ganz eigenen Witz offenbart. Ein verwunderter zeitgenössischer Kritiker befand diesen Satz denn auch als "allzu bizarr, wild und grell". Doch schon ein anderer war sich sicher, dass "man dem Werke das Horoskop stellen kann, es werde bleiben und mit immer neuem Vergnügen gehört werden, wenn tausend jetzt gefeierte Modesachen längst zu Grabe getragen sind". Recht hatte er.