"Es war wie ein tropischer Taifun!"
Stand: 05.12.2014, 16:57 Uhr
Am 28. Juli 2014 prasselten gewaltige Wassermassen auf Münster und Greven nieder. Für die Einsatzkräfte war bis dahin unvorstellbar, was an diesem Nachmittag passierte. Zwei Menschen starben, eine Frau wurde schwer verletzt, tausende Keller standen unter Wasser. Niemand sei darauf vorbereitet gewesen, so die Stadt Münster und die Feuerwehr, die am Donnerstagabend noch einmal eine Bilanz zogen.
Von Detlef Proges
Das Telefon stand einfach nicht still. Die Feuerwehrleitstelle in Münster hat am Tag des tragischen Unwetters 1.700 Notrufe entgegen nehmen können - viele andere nicht. Insgesamt wurden in dieser Zeit rund 13.000 Anrufversuche bei der Feuerwehr registriert. "Das war ein bedrückendes Gefühl, in der Leitstelle zu stehen und 16 Notrufleitungen sind belegt, und man weiß, 20 andere dahinter kommen nicht durch," so erinnert sich der Chef der münsterschen Feuerwehr, Benno Fritzen, an die Unwetternacht. "Und die Notrufe, die nicht durchkamen, konnten ein Herzinfarkt oder ein Dachstuhlbrand sein. Einen wirklichen Lageüberblick hat man zunächst nicht gehabt". Doch Benno Fritzen zeigte sich auch erleichtert, denn letztendlich hätten es die Einsatzkräfte immer geschafft, bei allen kritischen Notfällen zu helfen.
Konsequenzen nach tausenden Einsätzen
Die Stadt Münster zog die Bilanz des Unwetters
Gut geklappt hat an diesem Tag die herbeigerufene Hilfe der Feuerwehrkollegen aus anderen Städten. "Die Konzepte zur überörtlichen Hilfe waren tauglich," so Feuerwehrchef Fritzen. Dennoch sei nicht alles gut gelaufen bei den insgesamt 3.894 Einsätzen der Feuerwehren und Hilfsorganisationen. Es habe zu wenig Schutzkleidung für die mehrere Tage lang eingesetzten Helfer gegeben. Funk- und Kommunikationssysteme seien teils überfordert gewesen und müssten für solche Großschadenslagen nachgerüstet werden. Und für einen solchen Massenanfall von Notrufen müsse es technische Lösungen und mehr Personal geben, forderte Fritzen.
"Es hat uns kalt erwischt!"
Zahllose Helfer waren im Einsatz
Auch der Ordnungsdezernent der Stadt Münster, Wolfgang Heuer, wirkte immer noch beeindruckt: "Es hat uns kalt erwischt!" Schließlich waren die Kanalisation und die Pumpwerke heillos überfordert. Schätzungsweise regnete es 40 Millionen Kubikmeter Wasser an diesem Unwettertag auf Münster. Aber die Stadt habe nur Regenrückhaltebecken für insgesamt 1,5 Millionen Kubikmeter Wasser. Viel zu wenig also. Aber, betonte Ordnungsdezernent Heuer, keine Stadt sei in der Lage, ihr Regenwassersystem für solche Mengen auszubauen. "Es ist nichts falsch gelaufen", denn Pumpwerke seien nur vorübergehend ausgefallen und insgesamt hätte die Kanalisation funktioniert. Dennoch versprach Wolfgang Heuer, es werde Konsequenzen geben. Zum einen müsse dem Wasser in der Stadt mehr Raum gegeben werden, ein Hochwasserschutzkonzept werde erarbeitet. Konkretes gebe es aber noch nicht, das werde noch einige Jahre dauern. Auch die chaotischen Zustände vor dem Sozialamt kamen zur Sprache. Wolfgang Heuer sagte im Hinblick auf die Tumulte unter den Unwetteropfern vor dem Amt, die es in der Woche nach dem Unwetter gegeben hatte: "Die Finanzhilfe für die Betroffenen ist zu spontan umgesetzt worden, die Art und Weise ist schwierig gewesen. So wird es eine solche Hilfe nicht mehr geben".
Nachbarn und Freunde als Retter in der Not
Die Niederschlagskarte zeigt die Verteilung des Regens in Münster
Erstmals veröffentlicht wurde das Ergebnis einer Online-Befragung nach dem Starkregen. Die Untersuchung von Prof. Dr. Henning Goersch von der Akkon-Hochschule aus Berlin machte deutlich: Niemand hatte mit solchen Wassermassen gerechnet, darauf vorbereitet war kaum ein Haushalt. Von 726 Befragten gaben 89,9% an, sie hätten keine Vorsorge getroffen für einen solchen Fall. Die Befragung ergab auch, dass die gegenseitige private Hilfe der Menschen als selbstlos und teilweise aufopfernd empfunden wurde. Wissenschaftler Henning Goersch folgert daraus, dass es bei solchen Unwetterfällen immer ein großes Hilfspotential in der Bevölkerung gebe, das von den Behörden beachtet und genutzt werden müsse. Die Bevölkerung müsse mehr in den Katastrophenschutz einbezogen werden. Schließlich seien die Menschen bei großen Schadenslagen sowieso längere Zeit auf sich allein gestellt, und die Forschung zeige, dass 90% der Betroffenen von Verwandten, Freunden und Nachbarn gerettet würden, so Professor Goersch.