Stacheldraht an der polnisch-belarussischen Grenze

Sicherheit in Kasernen: Ein Fall von hybrider Kriegsführung?

Stand: 16.08.2024, 21:59 Uhr

Nach Zwischenfällen bei der Bundeswehr und der Nato in NRW stellt sich die Frage nach der Sicherheit in solchen Einrichtungen. Ein ehemaliger Oberst sagt: "Im großen Ganzen sind wir noch nicht in der Jetztzeit angekommen." Ändern wird sich das wohl so schnell nicht.

Der Bundeswehr-Standort in Köln-Wahn, der Bundeswehr-Standort in Mechernich in der Eifel und der NATO-Stützpunkt Geilenkirchen bei Aachen. Das sind drei unterschiedliche Orte, an denen es diese Woche jeweils ähnliche Zwischenfälle gab. Es wurde vermutet, dass Unbefugte versucht haben könnten, auf das Gelände zu kommen.

In Köln-Wahn und in Mechernich wurde zudem befürchtet, dass Trinkwasser verseucht worden sein könnte, nachdem Löcher im Zaun gefunden worden waren. Menschen in Mechernich sollen deshalb noch bis Montag das Wasser vorm Trinken abkochen. In Köln-Wahn gibt es derweil inzwischen komplette Entwarnung.

Drei Zwischenfälle, viele Fragezeichen. Wer steckt dahinter? Gibt es einen Zusammenhang? Ging es dem Täter oder den Tätern um Sabotage? Die Ermittlungen dauern an. Das ist das eine. Es gibt aber noch eine weitere Frage, die sich aufdrängt: Wie gut sind solche Einrichtungen geschützt?

Die Frage nach Schutz und Sicherheit, sie spielt seit Beginn des russischen Angriffskrieges eine immer größere Rolle - auch mit Blick auf eine mögliche hybride Kriegsführung, einen Begriff, der immer wieder fällt in diesen Zeiten, in diesen Tagen. Er steht dafür, wie dieser Krieg auch Deutschland betreffen kann.

Ein Fall von hybrider Kriegsführung?

Was bedeutet hybride Kriegsführung? Das Bundesverteidigungsministerium beschreibt das so. "In modernen Konfliktszenarien setzen Angreifer auf eine Kombination aus klassischen Militäreinsätzen, wirtschaftlichem Druck, Computerangriffen bis hin zu Propaganda in den Medien und sozialen Netzwerken."

War das etwa in den letzten Tagen in Köln-Wahn und Geilenkirchen der Fall? Zu den Menschen, die das verfolgen und sich Gedanken machen über die Sicherheit von Stützpunkten, gehört auch Ralph Thiele. Er ist Oberst außer Dienst, war früher im Planungsstab des Verteidigungsministeriums und auch im Private Office des Nato-Oberbefehlshabers. Er kennt beide Stützpunkte aus seiner aktiven Zeit.

Sicherheit in Kasernen: "Wir sind wach geworden"

WDR 5 Morgenecho - Interview 15.08.2024 06:30 Min. Verfügbar bis 15.08.2025 WDR 5


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Er sagt, er sei "nicht richtig davon überzeugt, dass das ein Hybrider-Angriff ist." Auch Russland vermute er eher nicht hinter dem Vorfall. Ein möglicher Anschlag aufs Trinkwasser passe nicht ins Raster. Das seien eher Brandanschläge oder die Unterbrechung von kritischen Infrastrukturen. "Aber wie auch immer, wir sind wach geworden", sagt Thiele. Die Bundeswehr sei aus ihrem Dämmerschlaf der Friedensdividende erwacht.

Aber was wäre, wenn?

Ralph Thiele im Interview

Ralph Thiele ist Oberst a.D. und arbeitete für das Verteidigungsministerium und die Nato.

Aber was wäre, wenn? Thiele sagt mit Blick auf Köln: Man habe bei Routinekontrollen veränderte Werte festgestellt. Dann habe ein Mitarbeiter ein Loch im Zaun entdeckt. Daraufhin habe man das Kasernentor geschlossen. "Das ist lustig, das war in der Vergangenheit sicherlich mal ein probates Mittel."

Aber de facto können Sie ja nicht davon ausgehen, dass Leute tatsächlich durchs Kasernentor marschiert kommen und Dinge machen, sondern sie müssen davon ausgehen, dass sind entweder Insider oder sind Leute, die sich auf anderen Wege hineingemacht haben. Ralph Thiele, Oberst a. D.

Für so einem Fall brauche es mehr. Etwa moderne Technologien.

Wie steht es um Sicherheit des Kasernen-Trinkwasser?

Und grundsätzlich? Wie steht es zum Beispiel um die Sicherheit des Trinkwassers und der Lebensmittel auf Stützpunkten? Wird so was mitgedacht? Davon sei man "noch abenteuerlich weit weg", sagt Thiele. "Im großen Ganzen sind wir noch nicht in der Jetztzeit angekommen."

Gerade wenn Personal knapper werde, müsse man das kompensieren mit Hightech. Das gebe es aber nicht. "Mit Ausnahme von Hochwert-Kasernen - also, wo Nuklearwaffen lagern oder andere Dinge. Da ist natürlich Technik ohne Ende im Einsatz."

Wäre es nicht spätestens jetzt an der Zeit, das zu ändern - also die Wachsamkeit hochzufahren und auch zu verbessern? Tatsächlich habe das auch der Verteidigungsminister eingefordert, sagt Thiele.

Aber aus alter Erfahrung sage ich Ihnen, immer wenn solche Dinge genannt werden, dann weiß man als Soldat, dass hier kein Geld eingesetzt werden wird. Kein Geld heißt keine Technologie, und keine Technologie heißt auch wenig Wirksamkeit. Ralph Thiele, Oberst a. D.

Worüber müsste jetzt diskutiert werden, um Stützpunkte zu sichern? Thiele sagt, da wären etwa diese Fragen: "Werden wir Sensoren einführen an den Kasernentoren generell? Werden wir Drohnen vielleicht nutzen, um die das Gelände zumindest an den Rändern zu überwachen? Werden wir KI einsetzen, um diese ganzen Dinge auszuwerten?" Chancen auf baldige Umsetzung sieht Thiele allerdings eher nicht.

Wenn Sie diese Fragen stellen, dann werden sie wahrscheinlich 20 Jahre in die Zukunft gerichtet sein, was spät kommt für diesen Konflikt, der im Augenblick stattfindet. Ralph Thiele, Oberst a. D.

Transparenzhinweis: Das Interview mit Ralph Thiele fand vor den Vorfällen in Mechernich statt. Seine Aussagen beziehen sich daher nur auf die Zwischenfälle in Köln-Wahn und Geilenkirchen.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichteten wir im WDR am 14.08.2024 unter anderem im WDR 5 Morgenecho.