Müssen Frau oder Mann irgendwo Daten wie Wohnadresse, E-Mail oder Handynummer angeben, kann ihnen je nach vermuteter Seriosität des Datenempfängers schon mal mulmig werden. Wenn man seine Daten irgendwo in sicheren Händen weiß, dann doch bei der Polizei? Sollte man meinen, stimmt aber nicht zwingend, wie ein Fall aus Baden-Württemberg zeigt.
Polizeibeamter besorgt sich Bilder aus Melderegister - 3.500 Euro Strafe
Dort hat ein Polizeibeamter Frauen, die er zuvor bei Verkehrskontrollen getroffen hatte, auf einer persönlichen Schönheitsskala von eins bis zehn bewertet und ihre Bilder abhängig von der Punktezahl anschließend aus dem Melderegister abgerufen. Dafür muss er eine Geldbuße von 3.500 Euro bezahlen.
Bei einer WDR-Straßenumfrage zeigten sich Frauen am Donnerstag erschüttert von diesem Vertrauensbruch durch einen Staatsbediensteten: "Wenn sie keinen Grund haben, sollen sie das auch nicht machen" und "Das geht gar nicht", war da zu hören. Rechtlich ist klar, dass Polizisten dies nicht dürfen. Professor Clemens Arzt, Gründungsdirektor des Forschungsinstituts für öffentliche und private Sicherheit in Berlin (FÖPS), sieht darin einen "wahnsinnigen Missbrauch von Vertrauen".
Das ist ein wahnsinniger Missbrauch von Vertrauen in staatliche Einrichtungen. Clemens Arzt, FÖPS-Gründungsdirekor
Arzt hat den Eindruck, Behörden hätten nicht hinreichend verstanden, dass sehr deutlich gemacht werden müsse, "dass jeder persönliche Zugriff verboten ist". Die stichprobenartige Kontrolle von Daten-Abfragen durch Polizisten sei "ein guter Ansatz", aber Missbrauch sei sehr schwer nachzuverfolgen, wenn "Verkehrsordnungswidrigkeit" als Grund für eine Datenabfrage reiche. Er fordert, den Zugriff auf Daten zu beschränken oder Zugriffe besser zu begründen.
Experte fordert bessere Kontrollen von Datenabfragen
Bei sensiblen Daten geschehe dies auch, "aber in der Breite kann jede Beamtin, jeder Beamte aus dem Streifenwagen hunderttausende, wenn nicht Millionen von Daten abfragen". Also müsse man genauer schauen, wie Zugriffe begründet werden, sagt Arzt und schlägt beispielsweise ein "Vier-Augen-Prinzip" vor: "Faktisch muss man festhalten, es wird offenkundig nicht genug protokolliert. Das zeigen die Skandale, die wir immer wieder haben."
Oliver Huth, NRW-Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), weist darauf hin, dass Datenabfragen von Polizisten unter einem klar erkennbaren Profil für fünf Jahre gespeichert werden. Millionen Abfragen liefen rechtskonform: "Von daher sind das Einzelfälle, aber jeder ist einer zu viel", sagt Huth. Für unproblematisch hält er das "Datenmachtmonopol" der Polizei deswegen nicht.
Wir müssen nach Recht und Gesetz handeln. Nur dann können wir das auch von den Bürgerinnen und Bürgern erwarten. Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender des BDK
BDK-Vorsitzender Huth verweist auf Notwendigkeit von Abfragen
Ohne solche Zugriffe auf Daten sei Polizeiarbeit aber nicht möglich: "Wenn ein Haus brennt, müssen Polizei und Feuerwehr wissen, wie viele Personen da gemeldet sind, um zu wissen, haben wir alle gerettet oder nicht." Bei Verkehrsunfällen müsse man wissen, wer der Halter eines Fahrzeugs sei. Nutze man das umfangreiche Datensystem der Polizei mit Zugriff auf die Einwohnermeldeämter für private Zwecke, begehe man damit eine Ordnungswidrigkeit oder sogar Straftat: "Das kann am Ende des Tages dazu führen, dass man aus dem Dienst entfernt wird", so Huth.
Arzt fürchtet allerdings, dass der Umgang mit Datenmissbrauch in Behörden eher selten so drastische Folgen hat. Er habe den Eindruck, dass oft "zurückhaltend ermittelt" wird: "Es wird wohl relativ häufig auf kleiner Flamme abgearbeitet - also intern mit einem Disziplinarverfahren." Er räumt allerdings ein, dass die Datenlage in dem Bereich für ein Urteil nicht ausreiche und landet damit wieder bei seiner zentralen Forderung, dass man Datenabfragen systematischer prüfen müsse.
Datenschützerin fordert regelmäßige Prüfprozesse und- routinen
Das wäre sicher im Sinne von von Bettina Gayk, der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW, bei der letztlich nur die Fälle auf dem Tisch landen, die ""angezeigt" werden: Es sei anzunehmen, dass das häufiger passiert. Prüfprozesse und -routinen sollten in den Behörden ihrer Ansicht nach üblich sein. Was bei den Datenschützern lande, werde in der Regel mit Bußgeldern so um die 500 Euro geahndet, wobei es je nach Schwere des Vergehens "weiter nach oben gehe".
Es ist anzunehmen, dass das häufiger passiert als wir das hier in der Behörde bemerken. Bettina Gayk, Landesbeauftragte für Datenschutz
Ähnliche Fälle wie der in Baden-Württemberg gebe es auch in Nordrhein-Westfalen: "Dass junge Polizisten sich die Adressen von jungen Frauen besorgen, die sie im Rahmen ihres Dienstes kennengelernt haben", so Gayk. Neben Flirtversuchen seien es oft Informationen über Menschen, mit denen man privat zu tun habe, die zum Missbrauch führten. Gayk erinnert sich an einen Fall, bei dem ein Polizist für seine Ehefrau "Mieterabfragen in Polizeidateien" gemacht habe. Seine Frau war Immobilienverwalterin.
Frauenberatungsstelle hilft auch bei Machtmissbrauch durch die Polizei
Keiner der Fälle, die bei der Frauenberatungsstelle in Düsseldorf landen. Auch dort sei man mit dem Problem konfrontiert, sagt Frauenberaterin Lena Löwen auf WDR-Anfrage. Frauen sollten sich bei entsprechenden Erfahrungen mit der Polizei auch nicht scheuen, den Frauennotruf zu wählen: "Das ist schon eine massive Form von Machtmissbrauch", so Löwen.
Löwen betont, wie schwierig es sei, nach solchen "Übergriffen" wieder Vertrauen aufzubauen. Mit den Beraterinnen des Frauennotrufs könnte man "das weitere Vorgehen besprechen". Darüber hinaus rät Löwen dazu, "solche Dinge zu dokumentieren". Das sei immer eine gute Option, genau die Gespräche mit Vertrauenspersonen im privaten Umfeld.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Professor Clemens Arzt
- Gespräch mit dem BDK-Landesvorsitzenden Oliver Huth
- Gespräch mit der NRW-Datenschutzbeauftragten Bettina Gayk
- Gespräch mit Frauenberaterin Lena Löwen
- WDR-Straßenumfrage
- Nachrichtenagentur epd