Ein Femizid bezeichnet die Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist - oft aus patriarchalem Besitzdenken. Besonders gefährlich wird es für Frauen in und nach Trennungsphasen. "Diese Morde sind oft geplant und folgen klaren Mustern", sagt die Journalistin Julia Cruschwitz. Im WDR-Podcast "nah dran - die Geschichte hinter der Nachricht" berichtet sie von ihren Recherchen. Cruschwitz recherchiert seit Jahren zu den Themen häusliche Gewalt und Femizide. Zusammen mit einer Kollegin hat sie auch ein Buch über tödliche Gewalt gegen Frauen verfasst.
Hilfsangebote: Viel zu wenig Plätze
Eines der vielen Probleme bei dieser Thematik: Betroffene Frauen finden nicht immer Schutz. In Deutschland fehlen laut Frauenhaus-Statistik mehr als 14.000 Plätze in Frauenhäusern. Fachleute kritisieren schon länger, dass öffentlichen Gelder fehlen, die mehr Schutzplätze für Frauen ermöglichen würden. Ähnliches gilt für Beratungsstellen. Sie existieren zwar in einigen Städten, viele beklagen aber, dass die Beratungsstellen überlastet sind. Viele Hilfesuchende werden abgewiesen oder vertröstet und somit zunächst mit ihren Problemen alleingelassen.
Deutschland gehe das Problem seit Jahren nicht an, bemängelt die Journalistin Julia Cruschwitz im "nah dran"-Podcast. "Unser Hilfesystem für betroffene Frauen ist schlecht finanziert. Zu wenig Schutzplätze, teilweise müssen Frauen das selbst bezahlen. Die strafrechtliche Verfolgung funktioniert nicht gut", sagt sie weiter.
Juristische Aufarbeitung: Mangelnde Konsequenz
Juristisch wird Gewalt gegen Frauen oft unzureichend aufgearbeitet. Viele Täter werden nur milde bestraft, besonders wenn die Beweislage lückenhaft ist. Bei Femiziden wird häufig auf Totschlag statt auf Mord plädiert, was geringere Strafen bedeutet. Auch die Verurteilungsrate bei häuslicher Gewalt ist niedrig. Fachleute beobachten, dass die Aussagen von Opfern in Strafverfahren oft angezweifelt werden.
Prävention und Polizeiarbeit: Luft nach oben
Ein häufiges Argument der Kritiker: Auch die Präventionsarbeit könnte effektiver sein, durch eine bessere finanzielle Ausstattung und klare Leitlinien. Sogenannte Hochrisikomanagement-Programme gelten als Vorbild, wie in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern, die potenzielle Täter früh identifizieren. Auch Maßnahmen wie Anti-Gewalt-Trainings und elektronische Fußfesseln für Gewalttäter könnten helfen. Allerdings fehlt es häufig an Ressourcen und an einem reibungslosen Austausch zwischen Behörden, um gefährdete Frauen rechtzeitig zu schützen. Die Polizei mahnt zudem an, dass Schutzkonzepte langfristig politisch unterstützt werden müssen.
Das neue Gewalthilfegesetz
Die Bundesregierung hat in dieser Woche einen Entwurf für ein Gewalthilfegesetz beschlossen. Es soll Frauen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe sichern und mehr Frauenhäuser und Beratungsstellen schaffen. Doch nach dem Bruch der Ampel-Koalition steht die Verabschiedung vor der Bundestagswahl im Februar auf der Kippe.
Gewalt gegen Frauen sei kein Randphänomen, sondern ein strukturelles Problem, betont Julia Cruschwitz im Podcast. Das geplante Gesetz könnte ein wichtiger Schritt sein, doch es brauche auch gesellschaftlichen Wandel - für eine Kultur, in der Täter konsequenter verfolgt und Opfer besser geschützt werden.
Im Podcast "nah dran - die Geschichte hinter der Nachricht" erzählen unsere Reporterinnen und Reporter, was sie bei ihren Recherchen erlebt haben. Sie werfen einen Blick hinter die Nachrichten, hören Betroffenen zu und erleben selbst mit, wovon die meisten nur kurz in den wöchentlichen Schlagzeilen lesen. Näher ran als sie kommt niemand - egal ob im Ausland, in der Hauptstadt oder direkt vor unserer Tür in der Region.
Statistik des Bundeskriminalamts zeigt Anstieg der Fälle
Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) zeigen: 2023 wurden mehr als 52.000 Frauen Opfer von Sexualstraftaten - ein Anstieg von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Noch höher sind die Zahlen bei häuslicher Gewalt: Mehr als 256.000 Betroffene, davon sind mehr als 70 Prozent Frauen und Mädchen. Besonders erschreckend: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 360 Frauen von Partnern oder Ex-Partnern getötet - also fast jeden Tag ein Femizid.