Detlef Maschetzky hat erst wenige Minuten gesprochen, als Beobachter und Politiker am Freitag (18.03.2016) im Silvesternacht-Untersuchungsausschuss des Landtags in Düsseldorf zusammenzucken. Der 51-jährige Einsatzleiter der Bundespolizei hat die Worte "Duisburg" und "Massenpanik" verwendet. Was der Polizei-Hauptkommissar den Abgeordneten berichtet, erinnert tatsächlich an die schrecklichen Geschehnisse der Loveparade 2010 in Duisburg - auch wenn rund um den Kölner Hauptbahnhof glücklicherweise niemand zu Tode kam. Maschetzky beschreibt schreiende Menschen und eine bedrohliche Enge. "Wir werden erdrückt", hätten Menschen gerufen. Väter hätten ihre Kinder im dichten Gedränge hochgehoben, um sie in schützende Polizisten-Hände zu übergeben.
Wer ist zuständig auf dem Vorplatz?
Zu Beginn seiner rund zweieinhalbstündigen Aussage überrascht Maschetzky mit der Information, dass auf weiten Teilen des Kölner Bahnhofsvorplatzes nicht die Landes-, sondern die Bundespolizei zuständig sei. "Bis zur Kante der Domtreppe" sowie etwa bis zu den Licht-Stelen Richtung Kölsch-Brauhaus sei die Bundespolizei "im Grunde originär zuständig", sagt der Beamte und bleibt bei dieser Aussage auch auf Nachfrage von Abgeordneten. Es wird nicht das einzige Mal bleiben, dass die Aussage des Bundespolizei-Einsatzleiters an diesem Tag nicht so richtig zusammenpasst mit der Schilderung des Kölner Einsatzleiters der Landespolizei, Günter Reintges. Dieser hatte unmittelbar zuvor den Parlamentariern Rede und Antwort gestanden.
Mit drastischen Worten schildert der Bundespolizist die Lage. Bereits gegen 20 Uhr sei der Vorplatz zu 60 bis 70 Prozent mit Menschen gefüllt gewesen. Es habe sich um eine "angeheiterte Klientel" gehandelt, überwiegend um "Migranten aus dem nordafrikanisch-arabischen Kulturkreis". Immer voller sei der Platz im Laufe des Abends geworden. Etwa 2.000 bis 3.000 Menschen habe er gesehen, so der Einsatzleiter (Zum Vergleich: Sein Landeskollege Reintges hatte gegen 20:30 Uhr nur um die 400 "nordafrikanisch aussehende Migranten" wahrgenommen). Von der Domtreppe seien Böller und Raketen in die Menge geworfen worden. "Renitente", angetrunkene "Störer" seien ihm aufgefallen. Es habe eine Panik gedroht. "Da waren ja zum Teil Kinder darunter", sagt der Beamte. Darum sei es richtig gewesen, den Platz am späten Abend zu räumen. Dies sei in Abstimmung mit der Kölner Polizei ohne größere Probleme geschehen. Vorab habe es übrigens "keinerlei Hinweise" gegeben, dass es zu einer derartigen Lage kommen würde. Er habe schon mehrere Silvesternacht-Einsätze geleitet, sagt Maschetzky.
Gedränge an der Hohenzollernbrücke
Nach Mitternacht verlagerte sich das Geschehen zusehends in den Bereich der Hohenzollernbrücke. Nachdem fünf bis sechs Personen laut Schilderung des Bundespolizisten in die Gleise gelaufen seien, habe die Bahn den Zugverkehr zwischen 0.34 und 1.15 Uhr gesperrt. Da die Menschen nicht abreisen können, wird es immer voller. Wiederholt spricht Maschetzky jetzt von einer "Massenpanik". Es sei zwischen überfüllter Brücke und überfülltem Bahnhof bedrohlich eng geworden. "Ich war mitten im Geschehen, mitten auf der Brücke", berichtet der Einsatzleiter. Der Ordnerdienst im Fußgängerbereich der Brücke liege aber im Zuständigkeitsbereich der Stadt, betont der Einsatzleiter mehrfach und erzählt, dass über seine Leitstelle versucht habe, die Kommune auf die Lage aufmerksam zu machen. Er habe die panischen Menschen dann auf die Gleise gehen lassen, damit sie der Enge entfliehen konnten. "Rettet meinen Sohn", habe ihm ein Mann zugerufen. Auch im Bahnhof spielten sich demnach chaotische Szenen ab. "Massive Gleisübertretungen" hätten stattgefunden, so der Bundespolizist.
Vorsitzender: Das wird ein "Puzzlespiel"
Es bleiben nach dem Zeugen-Marathon im Landtag viele Fragen offen: Während der Kölner Einsatzleiter Reintges von sexuellen Übergriffen rund um den Bahnhof lange gar nichts mitbekommen haben will, berichtet Maschetzy, dass mehrere sexuelle Übergriffe bereits in der Nacht Gesprächsthema zwischen den Polizisten waren. Bei den Schilderungen des Kommunikationschaos zwischen Bundespolizei, Kölner Polizei und Stadt Köln schütteln einige Abgeordnete ungläubig mit dem Kopf. Der Ausschuss hat noch viel Arbeit vor sich. Zeitnah wollen die Abgeordneten nun Videomaterial sichten. Der Ausschussvorsitzende Peter Biesenbach (CDU) sagt nach der Sitzung, alle Widersprüche müssten aufgeklärt werden. Es werde ein "Puzzlespiel" werden.