Eltern beklagen fehlenden Schutz bei Übergriffen an Schulen
Stand: 23.07.2024, 17:14 Uhr
Seit 2022 müssen Schulen in NRW ein Schutzkonzept gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch erstellen. Das klappt offenbar nicht überall, wie eine Befragung von Eltern ergab.
Von Rainer Striewski
Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein wachsendes Phänomen. Das wurde zuletzt Anfang Juli deutlich, als das BKA das "Bundeslagebild Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen" veröffentlichte.
Demnach wurden in keinem anderen Bundesland so viele Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder erfasst wie in NRW. Hier lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 5.065 Fällen.
Besonders an Schulen spielt das Thema eine große Rolle. Das weiß natürlich auch die Politik: Seit zwei Jahren sind alle Schulen in NRW verpflichtet, ein so genanntes "Schutzkonzept" gegen sexualisierte Gewalt zu erarbeiten. Ein entsprechender Passus wurde im Februar 2022 mit dem 16. Schulrechtsänderungsgesetz verabschiedet.
NRW hatte zudem als erstes Bundesland die bundesweite Initiative "Schule gegen sexuelle Gewalt" gestartet. Dabei sollen Schulen im Umgang mit der Thematik unterstützt werden. "Schutzkonzepte sind wirksame Maßnahmen des Kinderschutzes", erklärte dazu Schulministerin Dorothee Feller (CDU). "Ziel ist es, eine Schulkultur zu schaffen, in der Kinder und Jugendliche in der Schule geschulte Ansprechpersonen finden, sich anvertrauen können und Schutz erfahren", so Feller weiter.
Schutzkonzepte bei Eltern oft unbekannt
Doch offenbar tun sich viele Schulen schwer, entsprechende Konzepte umzusetzen. Das legt eine Befragung der Landeselternschaften der Gymnasien und Realschulen in NRW nahe.
Beide Verbände hatten im Mai und Juni 2024 Eltern befragt, ob sie von einem Schutzkonzept der eigenen Schule wissen bzw. ob sie bei der Erstellung beteiligt waren. Dabei gaben über die Hälfte der Teilnehmer an, noch nie von einem Schutzkonzept gehört zu haben. Die Ergebnisse sind allerdings nicht repräsentativ, insgesamt haben sich nach Angaben der Landeselternschaften 1.820 Personen an der Befragung beteiligt.
Manipulierte Fotos mit sexualisiertem Inhalt
Sexualisierte Gewalt kann ganz unterschiedlich aussehen
Sexualisierte Gewalt kann ganz unterschiedlich stattfinden. "Die meisten Vorfälle, die uns geschildert werden, betreffen Kinder, die das untereinander machen", erklärt Karla Förste von der Landeselternschaft der Gymnasien. Das fange an bei Bemerkungen, könne aber auch über Berührungen bis hin zu manipulierten Fotos gehen, die mit neuem Inhalt geteilt werden. "Leider gibt es auch immer wieder Vorfälle, dass Lehrer oder anderes Personal der Schule sexualisierte Bemerkungen gegenüber Schülern machen.", schildert Förste.
Der Umgang der Schulen bei derartigen Vorfällen - wenn sie denn gemeldet werden - ist ihrer Erfahrung nach sehr unterschiedlich. "Viele Schulen haben immer noch große Berührungsängste", berichtet die Mitarbeiterin der Landeselternschaft. "Die haben sich vielleicht ein Konzept überlegt, das aber noch in der Schublade liegt."
Eltern kritisieren mangelnde Unterstützung der Schulen
Die aktuelle Befragung hat zudem auch ergeben, dass nur ein Viertel der Eltern überhaupt wissen, an wen sich Betroffene innerhalb der Schule wenden können. Sind Fälle gemeldet worden, so bewerten 43 Prozent die Unterstützung und Beratung der Schule als mangelhaft oder ungenügend. Dabei werde etwa von Lehrkräften berichtet, die Probleme nicht wahrhaben wollen, herunterspielen oder sich selbst als machtlos beschrieben, teilte die Landeselternschaft mit.
Ministerin will mit Eltern ins Gespräch kommen
Feller will Ergebnisse mit Eltern besprechen
Ein Sprecher des Schulministeriums erklärte auf Nachfrage, die Ergebnisse der Befragung würden derzeit ausgewertet und anschließend gemeinsam mit den Landeselternschaften erörtert. Für die Landesregierung stehe aber außer Frage: "Schulen sind Lern- und Lebensräume, an denen alle Kinder und Jugendlichen vor Gewalt geschützt sein müssen", betonte der Sprecher.
Aber warum verfügen offenbar viele Schulen noch immer nicht über ein Schutzkonzept, obwohl sie gesetzlich dazu bereits vor zwei Jahren verpflichtet wurden? "Ein solches Konzept muss auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort abgestimmt sein. Dieser Prozess erfordert die nötige Zeit, um alle relevanten Akteure zu beteiligen", teilte das Schulministerium mit.
Mehr Hilfe für Lehrer und Opfer
Die Eltern fordern hingegen schon jetzt eine deutlich bessere Unterstützung der Lehrkräfte an den Schulen, etwa durch entsprechende Fortbildungen. "Aber auch die Opfer brauchen Informationen", erklärt Karla Förste von der Landeselternschaft der Gymnasien. Etwa durch Aushänge in der Schule oder über die Schul-Homepage. Dort müsse man den Opfern leicht vermitteln: "Was ist, wenn dir was passiert, an wen kannst du dich wenden?" Diese Informationen kämen derzeit noch zu wenig an Schüler.
Unsere Quellen:
- Pressemitteilung der Landeselternschaft
- 16. Schulrechtsänderungsgesetz
- Stellungnahme des Schulministeriums
- Gespräch mit Karla Förste von der Landeselternschaft der Gymnasien