Haben Polizei-Behörden versucht, die Vorfälle der Kölner Silvesternacht zu verharmlosen? Dieser Vorwurf steht spätestens nach der irreführenden Pressemeldung der Kölner Polizei am 1. Januar im Raum. Jetzt will der "Express" weitere Belege für einen Vertuschungsversuch gefunden haben. Die Zeitung spricht von einer möglichen "Gefahr" für NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Das Ministerium hingegen weist die Vorwürfe in einer schriftlichen Mitteilung "entschieden zurück".
Das strittige Wort "Vergewaltigung"
Der Zeitung liegen Informationen vor, wonach auf einen Dienstgruppenleiter der Kölner Polizei Druck ausgeübt wurde. Dieser hatte demnach am 1. Januar einen Anruf von einem Beamten einer Polizeibehörde bekommen. Laut "Express" sei dies die Landesleitstelle gewesen, die zur Landeszentrale für Polizeiliche Dienste gehört und direkt dem NRW-Innenministerium untersteht. In dem Telefonat wurde angeblich darum gebeten - auf "Wunsch aus dem Ministerium", das Wort "Vergewaltigung" aus einer internen Polizeimeldung zu streichen bzw. diese Meldung zu stornieren.
Gemeint ist die polizei-interne so genannte WE-Meldung - WE steht für "Wichtige Ereignisse" - vom 1. Januar, 14:36 Uhr. Inhalt der Meldung, so die Kurzbeschreibung: "Vergewaltigung, Beleidigung auf sexueller Basis, Diebstahlsdelikt, Raubdelikte begangen durch größere ausländische Personengruppen". In der Beschreibung des Tathergangs heißt es, im Rahmen der Silvesterfeierlichkeiten sei es auf dem Bahnhofsvorplatz zu bislang bekannten elf Übergriffen "zum Nachteil von jungen Frauen" gekommen. Begangen wurden diese Taten von "einer 40 bis 50 köpfigen Personengruppe", die als Nordafrikaner beschrieben wurden. Die Frauen seien umzingelt worden, oberhalb der Bekleidung begrapscht und bestohlen worden, und ihnen wurde Schmuck entrissen. Besonders drastisch wird folgendes Ereignis beschrieben: "In einem Fall wurden einem 19-jährigen deutschen Opfer Finger in die Körperöffnungen eingeführt."
Ministerium spricht von "Abstimmungsgespräch"
Diese Tat wird in der Kurzzusammenfassung richtigerweise als Vergewaltigung beschrieben. Offenbar wollte der Beamte der übergeordneten Behörde das aber nicht so formuliert haben. Warum und auf wessen Anweisung hin, ist unklar.
Das Ministerium erklärt, einen Auftrag zur Stornierung der WE-Meldung habe es nicht gegeben. Auch auf Formulierungen sei kein Einfluss genommen worden. Außerdem habe der Dienstgruppenleiter der Landesleitstelle nicht mit den Kölner Beamten gesprochen. "Abstimmungsgespräche" habe es unter anderem zwischen dem Lagedienst des Landeskriminalamtes und der Kölner Wache gegeben. Aber: "Auch durch diese Telefonate wurde die fragliche WE-Meldung nicht verändert." Das Ministerium beteuert: "Das Innenministerium hat keine Veränderung veranlasst." Es entspreche der üblichen Verfahrensweise, dass solche Abstimmungsgespräche eigenverantwortlich von den Dienstgruppenleitern geführt würden. Eine Information an Vorgesetzte des Ministeriums sei nicht erfolgt.
Kurzum: Das Ministerium weist jeden Vorwurf zurück. Innenminister Jäger wollte sich persönlich am Mittwoch (06.04.2016) aber nicht äußern. Letztlich hat die Kölner Polizei dem Wunsch des Anrufers ohnehin nicht entsprochen und die WE-Meldung unverändert gelassen. Das geht aus den Unterlagen hervor, die das Ministerium bei einer Sondersitzung des Innenausschusses verteilt hatte.
CDU-Opposition spricht von Verlust der Glaubwürdigkeit
Die Opposition im Landtag reagierte gleichwohl prompt. Die CDU-Sprecherin im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Silvesternacht, Ina Scharrenbach, spricht von einem Verlust an Glaubwürdigkeit. Sie forderte Ministerpräsidentin Kraft zu Konsequenzen auf und legt damit Innenminister Jäger indirekt einen Rücktritt nahe.