Die Linke vor der Landtagswahl: Wahlkampf einer Krisenpartei
Stand: 21.04.2022, 16:28 Uhr
Die Linke steckt in einer schweren Krise. Das sagen nicht nur Beobachter, sondern führende Parteimitglieder. Interne Querelen und Debatten um den Ukraine-Krieg erschweren den Wahlkampf in NRW.
Von Martin Teigeler
Nur 0,1 Prozentpunkte oder rund 8.500 Stimmen fehlten der Linken 2017 bei der NRW-Landtagswahl. Das hauchdünne Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde war nur eine von vielen bitteren Wahlniederlagen der Partei in den letzten Jahren. 2022 startet die Linke einen neuen Anlauf, nach 2010 erneut in das Parlament des bevölkerungsreichsten Bundeslandes einzuziehen. In Umfragen liegt sie bei 2 bis 4 Prozent.
Niederlagen, Austritt, Rücktritt, Sexismus-Skandal
Bei der Bundestagswahl hatte es die Partei nur über Direktmandate ins Parlament geschafft. Eine Folge jahrelanger Querelen zwischen den Parteiflügeln. Im Saarland erlebte die Linke im März ein Wahldesaster, kurz nachdem Partei-Mitbegründer Oskar Lafontaine ausgetreten war. Am Mittwoch warf Co-Chefin Hennig-Wellsow hin. Hinzu kommt ein Skandal um sexuelle Übergriffe im Landesverband Hessen.
Was in Hessen passiert ist, müsse aufgeklärt werden, sagt NRW-Landeschef Jules El-Khatib. "In NRW sind mir in den vergangenen Jahren keine vergleichbaren Fälle von sexueller Belästigung bekannt", im Landesvorstand werde zeitnah ein "Handlungskonzept gegen Sexismus" beraten. Die Ausgangslage kurz vor der Landtagswahl sei angesichts der aktuellen Debatten "zugegebenermaßen schwierig". Der Essener Soziologe El-Khatib steht auf Platz 2 der Landesliste hinter Spitzenkandidatin Carolin Butterwegge (Köln).
Im NRW-Wahlkampf setzt die Linke auf Themen wie "Preiserhöhungen und Energiepreise, die besonders arme Menschen treffen". Auch die "fatale Bildungspolitik" der schwarz-gelben Landesregierung spreche man an. Butterwegge sagte am Rande eines Wahlkampftermins in Herne, sie bedauere den Rücktritt Henning-Wellsow sehr. Das sei jetzt "vielleicht kein Rückenwind", aber man führe ja Wahlkampf in NRW mit Landesthemen. Auch sie sagte, im Landesverband NRW habe es keine sexuellen Übergriffe gegeben.
Beobachter: Offener Streit wegen Ukraine-Krieg
Sebastian Weiermann ist NRW-Korrespondent der linken Zeitung "nd" - früher "Neues Deutschland" - und ein ausgewiesener Kenner des Landesverbands: "Die NRW-Linke ist nach der Schlappe bei der Bundestagswahl eigentlich auf einem Weg der Konsolidierung. Die treuesten Unterstützer des Lagers um Sahra Wagenknecht waren durch bundespolitische Aufgaben nicht mehr an der Landespartei interessiert", sagt der Journalist. Auch die Wahl der Liste für die Landtagswahl habe gezeigt, "dass die Partei sich auf dem Weg befand ein progressives Profil zu entwickeln".
Dieser Prozess sei aber durch den Ukraine-Krieg beendet worden. Parteiprominenz aus Nordrhein-Westfalen sei durch fragwürdige Positionen aufgefallen. An der Basis werde offen über Standpunkte zum Krieg gestritten. "Die Debatte um sexualisierte Gewalt spitzt die Probleme der Partei zu, spielt in NRW bislang aber eine untergeordnete Rolle", sagt Weiermann.
Der frühere Linke-Landeschef Wolfgang Zimmermann hatte unlängst im landespolitischen Podcast des WDR die Fehler seiner Partei selbstkritisch analysiert. Er sagte, seine Zuversicht, den Landtags-Einzug zu schaffen, sei nach zwischenzeitlichem Optimismus wegen der gut und plural besetzten Landesliste aktuell nicht mehr besonders ausgeprägt. "Die Situation jetzt mit dem Angrffskrieg Russlands mindert nochmal so ein bisschen die Chancen, weil aufgegriffen wird, dass die Linke da nicht so ganz klar ist." Hinzu komme, dass es wahrscheinlich eine starke Polarisierung zwischen CDU und SPD geben werde.
Ex-Landtagsvizepräsidentin trotz allem optimistisch
Hoffnung macht ihren Genossinnen und Genossen eine Partei-"Veteranin". Gunhild Böth aus Wuppertal war von 2010 bis 2012 Landtagsabgeordnete und Vize-Präsidentin des Landtags. Die Ex-Landesvorsitzende war dabei, als die Linke für ein paar Jahre das Zünglein an der Waage war im Landesparlament zu Zeiten der rot-grünen Minderheitsregierung.
Sie sei trotz allem "optimistisch", was die Landtagswahl angehe, sagt Böth. Die Linke müsse im Wahlkampf stärker durchdringen mit ihren Konzepten. Aber auch Böth räumt ein, dass die Partei in der Außenpolitik - Stichwort Ukraine-Krieg - ihre Position klären müsse.