Meist zu Jahresbeginn verschicken Kommunen ihre Gebührenbescheide: Hauseigentümer bekommen darin mitgeteilt, welchen Obulus sie im laufenden Jahr zum Beispiel für Müllabfuhr oder Straßenreinigung, aber auch fürs Abwasser zahlen sollen. Quer durch NRW fallen diese Gebühren teils extrem unterschiedlich aus - besonders gravierend sind die Unterschiede bei den Abwassergebühren.
Monschauer zahlen am meisten
So zahlen die Einwohner des Eifelstädtchens Monschau 6,21 Euro pro Kubikmeter Abwasser, während die selbe Menge im münsterländischen Reken nur 1,26 Euro kostet. Einen "Musterhaushalt" - mit vier Personen - kosten die Abwassergebühren so in Monschau rund 1.434 Euro im Jahr, während in Reken gerademal 287 Euro auf der Gebührenrechnung stehen - ein Fünftel. Das hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW ausgerechnet.
Diese Kosten und vor allem die großen Unterschiede betreffen nicht nur Hauseigentümer, sondern über die Nebenkostenabrechnung auch alle Mieter.
Wie entstehen solche Unterschiede?
Berechnet werden diese Sätze in den Kommunen anhand verschiedener Faktoren. Einerseits spielt der Aufwand eine Rolle, mit dem Abwasserkanäle und - technik in einer Region gebaut und betrieben werden. In felsigen Gegenden der Eifel beispielsweise kann das aufwändiger sein als im flachen Münsterland.
Ein anderer Faktor in der Rechnung aber ist die sogenannte Abschreibung: Kalkuliert eine Kommune ihre Abschreibung über den Anschaffungswert einer Anlage oder über den Wiederbeschaffungswert? Wer mal nach einem Wohnungseinbruch seine Hausratversicherung in Anspruch nehmen musste, weiß, dass letzterer deutlich teurer ist als der Anschaffungswert.
Kommunen rechnen höher, Bürger zahlen mehr
Die meisten Kommunen in NRW rechneten jahrelang über den teureren Wiederbeschaffungswert. Zudem durften sie Zinssätze für Kredite anrechnen, die mit oft sechs Prozent weit über den Zinssätzen lagen, die tatsächlich gezahlt wurden. Das Ergebnis solcher Rechnungen landete dann in Form des Gebührenbescheids bei den Bürgern.
Im Mai 2022 hatte der Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW beim Oberverwaltungsgericht Münster gegen diese Kalkulationen geklagt - und Recht bekommen: Das OVG befand, dass die Abwassergebühren in vielen Städten zu hoch kalkuliert waren und die zugrunde gelegten Daten falsch. Der BdSt NRW verbuchte das als großen Erfolg, denn es hatte zur Folge, dass viele Kommunen in NRW ihre Gebühren senken mussten.
Land hebelt OVG-Urteil aus
Die Freunde über sinkende Kosten währte allerdings nur kurz: Denn schon im Dezember 2022 änderte das Land NRW das Kommunalgesetz - "in einer Hau-Ruck-Aktion", wie der BdST sagt: Kommunen dürfen weiter den Wiederbeschaffungswert als Kalkulationsgrundlage nehmen - Bürger zahlen weiter die hohen Preise.
Am Donnerstag legte der Steuerzahlerbund eine Liste der rund 400 Kommunen NRWs vor: Der weitaus größte Teil berechnet die Abwassergebühren jetzt wieder nach dem alten, für die Kommunen lukrativeren System.
Kommunen dürften aber keinen Gewinn machen mit solchen Gebühren, sagte der NRW-Vorsitzende Rik Steinheuer am Donnerstag. "Mit einer Benutzungsgebühr sind die entstehenden Kosten zu decken, nicht mehr und nicht weniger." Der Steuerzahlerbund wolle nun in einem Normenkontrollverfahren prüfen lassen, ob die Landesregierung das Recht hatte, das OVG-Urteil so "auszuhebeln".
Ministerium: Geld wird für marode Kanalnetze gebraucht
Das NRW-Kommunalministerium begründet die Gesetzesänderung auf WDR-Nachfrage mit dem Zustand der Kanalnetze in den Städten NRWs, die im Durchschnitt 56 Jahre alt seien. Um sie zusammen mit Kläranlagen und Wasserbecken zu erhalten, müssten die Kommunen in NRW etwa 1,5 Milliarden Euro jährlich aufbringen, so ein Ministeriumssprecher. Zudem habe die Hochwasserkatastrophe 2021 "allen vor Augen geführt, dass Städte 'wasserresiliente Zukunftsstädte'" werden müssten.
Für die Finanzierung brauche es eine klare Regelung. Nach dem OVG-Urteil aber habe bei den Kommunen eine große Rechtsunsicherheit geherrscht. Durch die Gesetzesänderungen hätten die Kommunen nun wieder "Klarheit bekommen, welche Kosten sie bei der Gebührenrechnung berücksichtigen dürfen".
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die alte Gebührenkalkulation der Kommunen seit 1994 galt - als das Kanalnetz im Schnitt fast 30 Jahre jünger und die durch den Klimawandel bedingte Hochwasserproblematik noch kein Thema war.
Müllgebühren könnten gesenkt werden
In seinem Jahresbericht bemängelt der Steuerzahlerbund außerdem die hohen Müllentsorgungsgebühren vieler Städte. Hätten Bürger die Wahl, könnten sie - je nach persönlichem Müllaufkommen - beispielsweise statt einer wöchentlichen Leerung eine 14-tägige bestellen, statt einer großen Tonne eine kleine. In einigen Kommunen geht das, in vielen aber nicht. Die Größe der Abfalltonne und der Abholrhythmus seien starke Hebel, um die Abfallgebühren beeinflussen zu können, sagte der BdSt-Landesvorsitzende Steinheuer.
Über dieses Thema berichten wir am 10.08.2023 um 12.45 Uhr auch bei "WDR aktuell" im WDR Fernsehen.