Arbeitspflicht für Bürgergeld-Bezieher? Darum geht es

Stand: 10.01.2025, 06:00 Uhr

Union und FDP fordern eine Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger. Einfach wäre die Umsetzung nicht - und ist sie auch sinnvoll?

Der Stadtrat von Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern will Empfänger und Empfängerinnen von Bürgergeld in Zukunft zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Im Dezember hatte das Stadtparlament die Verwaltung beauftragt, ein Konzept für eine Arbeitspflicht erstellen.

Vorbild seien laufende Projekte in zwei Thüringer Landkreisen, hieß es aus den Reihen der CDU. Dort werden seit einiger Zeit Asylbewerber zur Arbeit bei gemeinnützigen Organisationen herangezogen. Dafür bekommen sie einen sehr niedrigen Stundenlohn, der zusätzlich zu den regulären Sozialleistungen ausgezahlt wird.

Zweifel an der Wirksamkeit

Noch ist längst nicht klar, ob die Arbeitspflicht in Schwerin wirklich kommt. Es gibt juristische Schwierigkeiten, am Dienstag meldete selbst die Schweriner Sozialdezernentin Martina Trauth öffentlich Bedenken an: Fort- und Weiterbildungen seien deutlich wirksamer als "reine Arbeitsgelegenheiten, noch dazu, wenn sie unfreiwillig ausgeübt werden".

CDU und FDP sehen Pflicht zur Mitarbeit

Doch egal, ob Schweriner Arbeitslose demnächst wirklich zwangsverpflichtet werden oder nicht - CDU und FDP haben die Arbeitspflicht offenbar als Wahlkampfthema für sich entdeckt. Unter anderem CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte in der "Bild am Sonntag" eine bundesweite Jobpflicht für Bürgergeldempfänger - im Jahr 2024 gab es davon in Deutschland 5,6 Millionen, davon 3,3 Millionen Erwerbsfähige. "Jeder, der in Deutschland Bürgergeld bezieht und arbeiten kann, muss arbeiten gehen. Ansonsten darf es keine Sozialleistungen mehr geben", sagte er.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer schloss sich der Forderung an. Er könne sich "Reinigungs- und Hilfsarbeiten für Spielplätze, Parks oder auch Bahnhöfe" vorstellen.

Dahlemer Bürgermeister: Brauchen das Personal nicht

Jan Lembach | Bildquelle: WDR

In diese Richtung denkt auch Jan Lembach (CDU), Bürgermeister von Dahlem (Kreis Euskirchen). Grundsätzlich könne er sich gut vorstellen, ein ähnliches Modell in seiner Stadt umzusetzen, sagte Lembach dem WDR am Donnerstag: "Wer was erhält, soll auch was zurückbringen."

Eine konkrete Vorstellung, wie man die zusätzlichen Arbeitskräfte in seiner Gemeinde einsetzen könne, habe er aber bisher nicht. Um den kommunalen Aufgaben nachzukommen, brauche man das zusätzliche Personal nicht. Ein weiteres Problem: Er wisse überhaupt nicht, wer in Dahlem Bürgergeld bezieht, meinte Lembach.

Datenschutz verhindert bisher kommunalen Zugriff

Tatsächlich gebe die zuständige Bundesagentur für Arbeit zum Thema Bürgergeld nur anonymisierte Statistiken heraus, erklärte Dennis-Kenji Kipker, Experte für Sozialdatenschutz, im Gespräch mit dem WDR. Kommunen könnten nicht einfach bei der Arbeitsagentur die Daten der Bürgergeld-Empfänger abfragen - aus Datenschutz-Gründen.

Dennis-Kenji Kipker | Bildquelle: Harald-Rehling-Universität Bremen

Das Bundessozialministerium bestätigte auf WDR-Anfrage die überraschende Regel: Sozialdaten seien nach Art. 2, Abs. 1 Grundgesetz Teil der informationellen Selbstbestimmung und damit besonders geschützt. Ganz ausgeschlossen sei die Übermittlung in Zukunft nicht, meint Kipker, hierfür müssten aber zunächst die entsprechenden Gesetze geändert werden.

Doch auch wenn dieses Hindernis aus dem Weg geräumt ist, könnte ein weiterer Grundgesetz-Artikel die Einführung einer Arbeitspflicht auf kommunaler Ebene verhindern. In Art. 12, Abs. 2 heißt es: "Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht." Am Ende müssten also wahrscheinlich die Gerichte entscheiden - mit ungewissem Ausgang.

Ungarn setzt seit Jahren auf Arbeitspflicht

Im europäischen Ausland ist die Arbeitspflicht für Bezieher von Sozialleistungen schon seit vielen Jahren Realität. In Ungarn werden sie zum Beispiel kommunalen Arbeitsprogrammen zugeteilt. Dabei können Behörden, Gemeindeverwaltungen, Institutionen oder auch Privatfirmen Sozialhilfeempfänger einstellen, die zusätzlich zur Sozialhilfe einen Arbeitslohn erhalten. Wer sich weigert, verliert seinen Sozialhilfeanspruch.

Unsere Quellen:

  • Interviews mit Dennis-Kenji Kipker und Jan Lembach
  • Mitteilung Stadt Schwerin
  • Schriftliche Stellungnahme Bundessozialministerium
  • Deutschlandfunk

Über dieses Thema berichtet der WDR am 10.01.2025 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde um 18.45 Uhr.