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Hollywood-Streik: ChatGPT und andere KI dürfen Autoren nicht verdrängen! | MEINUNG
Stand: 24.05.2023, 06:00 Uhr
Seit Anfang Mai streiken die Drehbuchautoren in den USA. Es geht um faire Bezahlung vor allem von Streaming-Diensten und um Künstliche Intelligenz. Die Autoren haben allen Grund, deswegen besorgt zu sein, meint Korrespondentin Katharina Wilhelm.
Von Katharina Wilhelm
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Zu den Kommentaren [39]Ich nehme Sie mal mit, fünf Jahre in die Zukunft. Sie sitzen im Kino, ein Liebesfilm der alles hat, tolle Darsteller (ja, der heiße Typ aus der neuen Netflix-Serie! Und diese neue Sängerin in ihrer ersten Kinorolle!), Herzschmerz, ein paar Lacher. Sie verdrücken ein letztes Tränchen, der Abspann läuft und dann steht da: "Drehbuch: GPT6".
Sie reiben sich die Augen: hä? Die neueste Version dieses intelligenten Sprachmodells hat das Drehbuch verfasst? Okay zugegeben: GPT6 gibt es noch nicht. Und noch hat keine KI bis jetzt ein ganzes Drehbuch verfasst. Noch nicht. Denn um genau das zu vermeiden, gehen derzeit die Drehbuchautoren in den USA auf die Straße.
Darum geht's beim Autoren-Streik in Hollywood
Protestierende Autoren und Autorinnen in Hollywood
Jeden Tag fahre ich derzeit an ihren Streikposten vorbei: Die wütenden Autoren laufen vor den Studios von Amazon, Sony, Netflix oder Disney auf und ab. Auf ihren Schildern stehen Sätze wie: "Lasst uns die Chefs mit KI ersetzen" oder "Ihr seid die Bösen in dieser Geschichte".
Die Haltung macht klar: Es könnte ein langer Arbeitskampf werden. Auf der Liste der Gewerkschaft WGA, die die Autoren vertritt, stehen Forderungen wie mehr Lohn, mehr finanzielle Beteiligungen an Streaming-Serien. Aber es geht um noch mehr: Regeln aufstellen, wie man mit Künstlicher Intelligenz (KI) umgehen will, in der amerikanischen Film- und TV-Landschaft. Und damit um die gesamte Existenz dieser Berufsgruppe.
Sind Künstliche Intelligenzen die besseren Drehbuchautoren?
Bis jetzt ist offenbar noch kein gutes Angebot von Seiten der großen Studiovertretung (AMPTP) vorgelegt worden. Vermutlich auch, weil es nicht so einfach ist, sich Regeln für diese teils noch abstrakte Zukunft vorzunehmen. Aber auch, weil die Studios sich die Hände reiben, bei der Vorstellung bald mehr KI einzusetzen. Denn die kann immens Kosten senken. Indem zum Beispiel schon jetzt grobe Ideen für einen Film von KI entwickelt werden können. Sprachmodelle ChatGPT von der Firma OpenAI können Dialoge schreiben, Szenen beschreiben, eine Struktur entwickeln. Und das in Sekunden, wofür Autoren manchmal Wochen brauchen. Die KI wird nicht krank, hat keine Schreibblockade, sie ist günstig und fordert keinen Überstundenausgleich. Überaus praktisch - vor allem gerade jetzt, wo viele Tech-Unternehmen, Medienhäuser und Studios von Disney bis Netflix Geld sparen und Jobs streichen.
Die Studios haben klar ein Interesse daran, mehr KI in der Film- und Serienproduktion einzusetzen. Doch was ist der Preis dafür? KI ist größtenteils noch fehlerhaft, bringt Fakten durcheinander, "halluziniert", wie Forscher das nennen - davor warnen selbst diejenigen, die uns die KI verkaufen wollen, wie Microsoft, Google oder OpenAI.
Filme sollten Geschichten von Menschen für Menschen erzählen!
Drehbuchautoren fürchten, dass sie zu Hollywood-Arbeitern zweiter Klasse abgestempelt werden, wenn KI immer verbreiteter wird. Das Skript wird grob beschrieben, für die Feinarbeit kommen die Autoren ein paar Stunden oder Tage zum Einsatz - solche Szenarien geistern herum, wenn man sich mit den Autoren an den Streikposten unterhält. Und dann ist da die moralische Komponente: Soll KI wirklich das Geschichtenerzählen ersetzen? So etwas Urmenschliches. So alt, wie das Lagerfeuer, an dem man sich einst versammelte, um Erzählungen zu lauschen. Was passiert mit der Kunst des Filmemachens, des Geschichtenerzählens mit bewegten Bildern, wenn wir das von KI übernehmen lassen?
Die Drehbuchautoren haben den Filmstudios Millionen Dollar eingebracht, ihre Kreativität, ihre Arbeit ist der Grundstein für den Erfolg von Netflix, Disney und Co. Sie durch KI zu ersetzen wäre eine Farce und respektlos vor dem, was sie an Kulturgut beigesteuert haben.
Vielleicht sehen wir die Antwort auf diese Frage in ein paar Jahren als Thriller im Kino. Mit Popcorn und Schweiß auf der Stirn, weil der Film so spannend ist. Wer dann wohl als Autor im Abspann steht?
Was halten Sie davon Künstliche Intelligenzen für Film- und Fernsehproduktionen zu nutzen? Lassen Sie uns darüber diskutieren! In den Kommentaren auf WDR.de oder auf Social Media.
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39 Kommentare
Kommentar 39: Stoppt die Laber-/ schreibt am 28.05.2023, 20:57 Uhr :
Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)
Kommentar 38: Anonym schreibt am 28.05.2023, 08:34 Uhr :
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Kommentar 28: Jupp Meurer schreibt am 27.05.2023, 01:26 Uhr :
An künstliche Intelligenz glaube ich nicht. Nur weil man Ergebnisse von Programmzeilen nicht mehr nachvollziehen kann und trotzdem die Ergebnisse nicht schlecht sind, deutet das noch nicht auf Intelligenz hin. Schon vor Jahrzehnten habe ich mich mit ELIZA unterhalten, einer Psychotherapeutin, die „die non-direktiven Methoden der klientenzentrierten Psychotherapie nach Carl Rogers verwendet“. Wikipedia: „ELIZA ist ein 1966 von Joseph Weizenbaum entwickeltes Computerprogramm“. Das Programm nimmt Eingaben in natürlicher Sprache auf und konstruiert nach einfachen Mechanismen Fragen die von einem echten Therapeuten kommen könnten. Das mag weiterentwickelt sein, bleibt aber im Prinzip gleich. Die Fantasie ist irrational und das ist schlecht rational programmierbar. Allerdings ist eine einmal erfolgreiche Masche in verschiedenen Variation durch echte Autoren auch nicht immer ein Zeichen natürlicher Intelligenz. Ein wenig könnte mit sogenannter KI funktionieren, wird aber schnell langweilig.
Kommentar 26: Christian schreibt am 26.05.2023, 14:44 Uhr :
Ausschließlich auf künstliche Intelligenz zu setzen finde ich ebenfalls zu einseitig, hier müssen menschliche Gedanken und Empfindungen eingehen. Allerdings finde ich dieses Thema auch überhaupt nicht spannend und diskussionswürdig. Haben wir nicht wichtigere Themen wie Rezession, Inflation, Heizungsstreit, öffentl. Nahverkehr, Migrationsthemen, Marode Infrastruktur die in dieser Reihe fast gar nicht angesprochen werden. Dieses wären Themen die eine rege Diskussion auslösen würde.
Kommentar 22: Paul voss schreibt am 26.05.2023, 07:20 Uhr :
Wer braucht schon Hollywood und Co.... Man kann nur hoffen dass die bald verschwinden.. Kulturgut war und ist das nie gewesen.. Im Gegenteil.. Zum glück haben wir Deutschen Schiller Goethe und Co..
Antwort von Arbiter , geschrieben am 26.05.2023, 13:52 Uhr :
Sehr gut, Herr Voss! Sie kennen sich aus. Vielleicht lassen Sie uns bei einem kleinen Quiz an Ihrem Wissen teilhaben: 1. Was war des Pudels Kern? 2. Der von Ihnen genannte Goethe schrieb über eine von ihm unternommene Reise. Welches Land hatte er besucht? 3. Welcher Eidgenosse befand, der Starke sei am mächtigsten allein? 4. Der Vater einer Romanfigur eines aus Lübeck stammenden Autors war Sektfabrikant im Rheingau. Wie heißt der Roman? 5. In einem 1954 erschienenen Roman eines Kölner Schriftsteller heißt es über eine Protagonistin "Mit siebzehn hatte sie einen schmucken Panzergefreiten geheiratet, dessen Körper jetzt zwischen Saporoschje und Dnjepropetrowsk vermoderte"? 7. In welchem Hollywood-Klassiker aus dem Jahr 1942 ist ein großer Teil der Rollen mit Emigrant:innen besetzt? 6. Was verstehen Sie unter Kulturgut?
Kommentar 8: Holgi schreibt am 24.05.2023, 17:43 Uhr :
Mal nachdenken - nein, mir fällt nichts ein, das mir noch weiter am Arsch vorbei geht, als die Hollywood Dudes. Die müssen sich, genauso wie wir alle, damit arrrangieren. Fertig.
Kommentar 6: Zuschauer schreibt am 24.05.2023, 10:23 Uhr :
Die Begründung, Respektlosigkeit gegenüber Drehbuchautoren ,zeugt nur von Sprachlosigkeit über die rasante Entwicklung von Technik und KI die eben immer , wie die Geschichte zeigt, Berufe verändert. Jammern ist erlaubt, interessiert aber wenig, wenn das Neue besser als das Alte ist. Ist KI der bessere Autor, das ist die Frage, die von Zuschauerzahlen ( oder zahlenden Zuschauern!)beantwortet wird. Der Bessere möge gewinnen!?
Antwort von Jupp Meurer , geschrieben am 27.05.2023, 01:57 Uhr :
Im Kern Zustimmung, aber die Erwartung ist zu hoch. Wir brauchen keinen Heizer bei der E-Lok wie bei der Dampflok. Arbeit kann man wegrationalisieren, aber Rationalisierungsfortschritt darf nicht nur bei Arbeitgebern ankommen. Sonst kommen Gedanken auf wie beim Weberlied als englische mechanische Webstühle die Handarbeit in Deutschland unrentabel machte: „Deutschland, wir weben Dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch.“ Es besteht aber ein Unterschied in einer berechenbarer Abfolge von Fäden in einem Stoff und einem Design, der aus der Abfolge von Fäden im Stoff ein schönes Kleid macht, auch wenn man gedanklich auf wiederkehrende Muster zurückgreift. „Möge der Bessere gewinnen“ ist ein guter Denkansatz und da bin ich hier auf lange Sicht sehr optimistisch für die menschliche Fantasie.
Kommentar 5: user n schreibt am 24.05.2023, 09:56 Uhr :
Es wird passieren. Nicht nur bei Drehbüchern, sondern auch in Zeitungen oder Nachrichtenseiten im Internet und und und... Nicht heute, wahrscheinlich nicht dieses Jahr, aber in fünf Jahren wird Vieles ganz anders aussehen. Nein, gefallen tut mir das auch nicht, aber ich sehe nicht, wie man das noch aufhalten soll.
Kommentar 4: Sandra Schubert schreibt am 24.05.2023, 09:19 Uhr :
Was machbar ist wird auch gemacht ! Von Automatisierung bis 3D Drucker, da sind die Gewinnmaximierer Skrupellos. - Tröstlich nur sie brauche für die Produkte zahlende Konsumenten, erst wenn alle kreativen, werktätigen Menschen durch KI ersetzt wurden, werden sie erkennen, dass sie selbst überflüssig werden, auch Gewinnmaximierung kann KI besser, der Mensch ein Auslaufmodell ! - Positiv, vielleicht kann so die Erderwärmung noch gestoppt werden.
Kommentar 3: Färnseher schreibt am 24.05.2023, 09:00 Uhr :
Wenn ich mir deutsche Kino- und TV-Produktionen anschaue, kommt mir öfters der Gedanke, daß eine KI unter Umständen das bessere Drehbuch geschrieben hätte.....vielleicht eine in Hamburg angesiedelte Komödie mit dem Titel: "Ich trinke Kräutermeister, weil ich mich dann am Set besser mit Schauspielern und Regisseuren prügeln kann". ....
Kommentar 2: 24.05.2023, 08:05 Uhr :
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Kommentar 1: Frank schreibt am 24.05.2023, 07:08 Uhr :
Erinnert mich irgendwie an die Proteste der Pferdekutscher beim Aufkommen der Automobile, oder andere Arbeitskämpfe der Vergangenheit in Wirtschaftsbereichen, deren prosperierende Zeit sich dem Ende näherte. Berufsbilder wandeln sich im Laufe der Zeit, manche Verschwinden sogar ganz. Diesen Prozess aufhalten zu wollen war letztendlich noch nie erfolgreich und auch nicht sinnvoll. Es hat die Entwicklung höchstens verzögert. Außerdem sind Autoren von Streamingserien m.M.n. wohl kaum die Highlights des kulturellen Schaffens die daraus einen Anspruch auf außergewöhnlichen Schutz durch die Gesellschaft ableiten können.