Die Zahl der Todesopfer nach dem verheerden Erdbeben in Marokko ist nach offiziellen Angaben vom Sonntagabend auf 2.122 gestiegen. Mindestens 2.421 weitere Menschen wurden laut Innenministerium verletzt - mehr als 1.400 von ihnen schweben in Lebensgefahr.
Internationale Hilfe aus zunächst vier Ländern zugelassen
Die internationale Hilfe ist inzwischen angelaufen. Die Regierung in Rabat kündigte an, zunächst Hilfsangebote aus vier Ländern in Anspruch zu nehmen. Wie das marokkanische Innenministerium am späten Sonntagabend erklärte, hätten die Behörden nach einer gründlichen Untersuchung "auf die Unterstützungsangebote der befreundeten Länder Spanien, Katar, Großbritannien und Vereinigte Arabische Emirate reagiert". Die Teams aus diesen Ländern hätten mit Marokko Kontakt aufgenommen.
Aus Spanien brach am Sonntag eine Spezialeinheit des Militärs auf. Mitglieder der spanischen "Feuerwehr ohne Grenzen" waren zudem auf dem Landweg unterwegs in das besonders betroffene Gebiet im Atlasgebirge: "Wir sind noch etwa zwei Stunden vom Epizentrum entfernt", sagte der Leiter des Einsatzes, Antonio Nogales, dem spanischen Fernsehsender RTVE am Sonntagabend. Seine Feuerwehrleute stünden mit den marokkanischen Behörden in Kontakt, damit sie ihnen ein Einsatzgebiet zuwiesen.
Offenbar auch Hilfe aus Saudi-Arabien
Auch aus Saudi-Arabien soll offenbar Hilfe kommen: König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman hätten die Einrichtung einer Luftbrücke zur Hilfslieferung nach Marokko angeordnet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur SPA am späten Sonntagabend. Die beiden arabischen Länder unterhalten traditionell freundschaftliche Beziehungen. Auch ein saudisches Such- und Rettungsteam solle die Einsatzkräfte vor Ort unterstützen.
In Deutschland bereiteten sich Hilfskräfte auf Rettungseinsätze vor. Es lag aber auch am Sonntag noch kein offizielles Hilfegesuch aus Marokko vor. Die Hilfsorganisation I.S.A.R. Germany und der Bundesverband Rettungshunde haben bereits mitgeteilt, dass sie nicht mehr mit einem Rettungseinsatz ihrer bereitstehenden Helfer in Marokko rechneten. Das Technische Hilfswerk hat seine bereitgestellten Mitarbeiter vorerst wieder nach Hause geschickt.
Nachbeben am Sonntagmorgen
Am Sonntagmorgen erschütterte ein starkes Nachbeben die betroffene Region. Nach US-Quellen hatte das Nachbeben die Stärke 3,9, das Epizentrum entsprach etwa dem Hauptbeben vom Freitag. Ob das Nachbeben weitere Opfer gefordert oder Schäden verursacht hat, ist noch unklar.
In weiten Gebieten vom Atlasgebirge bis zur berühmten Altstadt von Marrakesch waren Gebäude beim Hauptbeben am Freitagabend teils völlig zerstört und berühmte Kulturdenkmäler beschädigt worden. Rettungskräfte suchten unter den Trümmern fieberhaft nach Überlebenden. Die meisten Schäden seien außerhalb der Städte entstanden, hieß es weiter. Betroffene Gebiete konnten bisher teils noch nicht erreicht werden.
Zur medizinischen Versorgung der Verletzten wurden nach Angaben der Behörden neben den ortsansässigen Krankenhäusern und Ambulanzdiensten mehr als 1000 Ärzte sowie 1500 Krankenschwestern und Pfleger mobilisiert.
Ganzes Dorf ausgelöscht
In abgelegenen Bergdörfern des nordafrikanischen Landes gruben sich Rettungskräfte am Sonntag mit schwerem Gerät durch Trümmer eingestürzter Häuser. Ein kleines Bergdorf in der Provinz Chichaoua wurde nahezu vollständig zerstört, wie das Staatsfernsehen am Sonntag meldete. 65 Leichen seien geborgen und ein Massengrab eingerichtet worden. Es wurden Drohnen eingesetzt, um den Einsatzkräften bei der Suche nach Leichen zu helfen. Allein in dem Ort Chichaoua wurden 191 Todesfälle registriert.
Epizentrum im Atlasgebirge
Die US-Erdbebenwarte USGS teilte mit, das Beben habe eine Stärke von 6,8 gehabt und sich in einer Tiefe von 18,5 Kilometern gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch und 60 Kilometer nordöstlich der Stadt Taroudant ereignet. Das Epizentrum habe im Atlasgebirge gelegen. Das Geofon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9. Das Beben war Berichten zufolge auch in Portugal und Algerien zu spüren.
Marokkaner posteten Videos, auf denen zu Schutt zerfallene Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen sind, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein Unesco-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigen schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen.
"Wir waren im dritten Stock als wir sahen, dass plötzlich Dinge von der Wand fielen. Es war unmöglich noch zu sitzen oder zu stehen. Dann sind wir rausgerannt", berichtet ein Augenzeuge.
Schweres Erdbeben in Marokko
Aktuelle Stunde. 09.09.2023. 42:32 Min.. UT. Verfügbar bis 09.09.2025. WDR. Von Cengiz Ünal.
Scholz: "Schlimme Nachrichten"
Bundeskanzler Olaf Scholz drückte sein Mitgefühl aus. "Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko", schrieb Scholz auf "X" (früher Twitter). "In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe." Die Europäische Union bot Marokko Hilfe an.
Schwerstes Beben seit Jahrzehnten
Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen. Das letzte große Erdbeben erschütterte Marokko 2004 mit einer Stärke von 6,4. Mehr als 600 Menschen kamen damals ums Leben.
Über dieses Thema berichten wir am 09.09.2023 auch in der "Aktuellen Stunde" im WDR Fernsehen sowie im Hörfunk.
Unsere Quellen:
- Medikamentenhilfswerk Action Medeor
- Technisches Hilfswerk (THW)
- Nachrichtenagenturen: dpa