30 Jahre nach Brandanschlag: "Der Hass ist nicht weg"
Stand: 25.05.2023, 11:43 Uhr
"Das Boot ist voll!", "Ausländer raus!" Mit solchen Sätzen wurde Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre populistische Politik gemacht. Mit dem Brandanschlag von Solingen wurde klar: Es geht nicht nur um Sätze. Es geht um Taten und darum, wie eine Gesellschaft mit Menschen aus vielen Teilen der Welt mit diesen Taten umgeht.
"Wir sind als Ausländerkinder groß geworden. Wir wurden so bezeichnet und wir haben uns selbst so genannt", sagt Serap Güler, CDU-Bundestagsabgeordnete und Kind türkischer Gastarbeiter. "Und 1993 machte dann klar: ja, man gehört wirklich nicht dazu. Man ist nicht gewollt."
Große Unsicherheit
Serap Güler, CDU-Bundestagsabgeordnete
Der Brandanschlag von Solingen hat den Riss zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und ihrer neuen Heimat schlagartig verschärft. "Es war gerade diese Zeit, wo viele Menschen, die früher eigentlich zurück in ihre Heimatländer wollten, beschlossen hatten zu bleiben", sagt Bassam Ghazi, Regisseur aus Köln, Kind libanesischer Eltern. "Nach dem Anschlag war die Unsicherheit dann groß".
Baseballschläger neben dem Bett
Bassam Ghazi hat ein Theaterstück zum Brandanschlag gemacht: "Solingen 1993". Das Stück spielt auf den Straßen von Solingen. "Wir haben das damals unter dem Deckel gehalten und viel zu wenig darüber gesprochen". Das will er jetzt ändern. Er war damals 18 Jahre alt, hatte in Norddeutschland gelebt. Nach dem Brandanschlag stellte er sich zwei Eimer Wasser neben das Bett. Und einen Baseballschläger. "Ich musste irgendwas tun."
Bassam Ghazi, Regisseur
Serap Güler war 1993 13 Jahre alt. Sie ist in einer Bergarbeitersiedlung aufgewachsen, wo viele türkische Familien wohnten. "Ich war froh, als ich gesehen habe, dass in unserem Haus nicht nur türkische Familien gelebt haben. Mit sowas hat man sich als Kind beschäftigt."
Die Community ist enger zusammengerückt
Musa Kavalli, Integrationsrat Solingen
Und heute? "Die Gesellschaft hat sich verändert, gerade die Zivilgesellschaft", sagt Musa Kavalli, Ur-Solinger vom kommunalen Integrationszentrum. "Das hat dazu geführt, dass Menschen viel bewusster mit Rassismus und Diskriminierung umgehen. Auch dazu, dass die Community enger zusammengerückt ist und es viele, viele Menschen gibt, die gegen Rassismus etwas tun." Auch Serap Güler und Bassam Ghazi finden, dass vieles besser geworden ist. Aber noch lange nicht alles gut. "Es ist nicht so, dass es den rassistischen Hass, für den Solingen steht, nicht mehr gibt," warnt Serap Güler.