Interview: "Für Verleumdungen hat Hörensagen schon immer genügt"
Stand: 15.12.2016, 12:00 Uhr
Nicht nur im Internet macht sich Hass breit. Verroht unsere Gesellschaft? Das wollten wir von Tim Wolff, Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, wissen. Am Donnerstag (15.12.2016) ist er Gast in der Sendung "Ihre Meinung".
WDR: Hetzereien, Lügen, Falschmeldungen – im Internet geht das ganz einfach. Ein Klick, und fertig. Übertragen sich solche Verhaltensweisen nun auch auf die analoge Welt?
Tim Wolff: Das klingt so, als hätte es früher nicht so etwas wie die Bild-Zeitung, Das Goldene Blatt oder den Bayerischen Rundfunk gegeben. Dank des Internets wird aber vieles schneller und einfacher sichtbar, aber für Verleumdungen und Pogrome hat Hörensagen schon immer genügt – egal wie schnell die Nachrichtenübermittlung lief.
WDR: Würden Sie zustimmen, dass unsere Gesellschaft verroht?
Wolff: Also wenn ich auf uns, also auf das Satiremagazin "Titanic", schaue, kann ich sagen: Früher hätten wir kein Titelbild gemacht, auf der die Kanzlerin dem künftigen Bundespräsidenten in die Hose faßt. Aber nach der Wahl Trumps hieß es ja überall: Mit politischer Korrektheit macht man es erst richtig schlimm.
WDR: Wie sehen Sie das gesellschaftliche Klima in Deutschland? Wie düster ist die Zukunft?
Wolff: Historisch gesehen hat sich in Deutschland stets die gute alte Mischung aus diffusen Ängsten, vorauseilendem Gehorsam und "Kompromissen", die letztlich Fremdenfeindlichkeit zur politischen Leitlinie werden lassen, durchgesetzt. Aber keine Sorge: Auf lange Sicht hat es den Deutschen nicht geschadet. Anderen dagegen ...
WDR: Welche Rollen spielen die Medien in diesem Zusammenhang?
Wolff: Es ist ganz amüsant zu sehen, wie die alten Medien hinterherhecheln und sich selbst bemitleiden, weil ihnen die Leser und Zuschauer wegrennen. Ohne zu kapieren, dass man auch mit offensiver Selbstkritik und Transparenz nur weiter den verschwörungstheoretischen Wahn der "Lügenpresse"-Rufer befeuert.
Die Fragen stellte Andreas Sträter.