Ein Jahr nach der Legionellen-Welle
"Es war so, als hätten wir die Pest"
Stand: 07.08.2014, 16:44 Uhr
Noch immer hat die Sauerland-Stadt Warstein mit den negativen Auswirkungen der Legionellen-Welle vor einem Jahr zu kämpfen. Eine definitive Ursache ist noch nicht gefunden – und die Stadt hat einen immensen Image-Schaden davon getragen.
Von Andreas Sträter
Vor einem Jahr, am 8. August 2013, wird der erste Legionellen-Erkrankte in das Warsteiner Krankenhaus Maria Hilf eingeliefert. Seine Symptome sind Atemnot, Schüttelfrost und hohes Fieber, eine schwere Lungenentzündung wird diagnostiziert. Damals ahnt in der beschaulichen Sauerland-Stadt im Kreis Soest allerdings noch niemand, dass dies der Beginn einer Krankheitswelle mit zwei Toten und über 160 Erkrankten sein sollte. Zwischenzeitlich wird für Warstein sogar eine Reisewarnung ausgesprochen. "Es war so, als hätten wir eine Seuche oder die Pest", sagt Warsteins Bürgermeister Manfred Gödde ein Jahr danach gegenüber WDR.de.
Warstein habe durch die Legionellen-Welle einen enormen Imageverlust davon getragen, glaubt der Bürgermeister. "Für unsere Stadt war die Reisewarnung Katastrophe pur", erinnert sich Gödde. "Kein Handelsvertreter wollte mehr in die Stadt, wir Warsteiner wurden wie Aussätzige behandelt", erläutert der 64-Jährige. Auch die Montgolfiade – ein internationales Ballonfestival mit bis zu 200.000 Besuchern – musste abgesagt werden. "Das ist so, als müsste in München das Oktoberfest oder in Soest die Allerheiligenkirmes abgesagt werden", vergleicht der Bürgermeister. In diesem Herbst findet das Ballonspektakel wieder statt. Mit dem Großereignis soll der Optimismus zurückkehren: "Alle Ampeln sind auf Grün gestellt."
70 Prozent Umsatzverlust
Nikolaos Mavrikos ist für seine Grillteller bekannt bis Meschede.
Optimismus versuchen auch die Gastwirte, Hoteliers und Restaurantbesitzer zu verbreiten, obwohl sie ein schwieriges Jahr hinter sich haben. Nikolaos Mavrikos, der an der Hauptstraße seit 23 Jahren das griechische Restaurant "Alter Grieche Z" betreibt, habe im vergangenen Jahr Umsatzeinbußen von bis zu 70 Prozent hinnehmen müssen. "Da war nichts los", erinnert er sich. Viele Stammkunden hätten ihn angerufen und mitgeteilt, dass sie an ihn denken – doch gekommen sei niemand, so Mavrikos. "Doch jetzt ist die Legionellen-Geschichte wieder vergessen", sagt der Gastwirt. "Hoffentlich."
Ursache noch nicht eindeutig gefunden
In Fachkreisen ist die Warsteiner Legionellenwelle noch nicht vergessen. Experten wie Professor Martin Exner, Direktor des Institutes für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn, sind allerdings der Meinung, dass Warstein das Problem unter Kontrolle habe. Seit September habe es in Warstein keine neue Erkrankung mehr gegeben. Die Krankheitserreger, die beim Menschen eine Lungenentzündung hervorrufen können, waren in einer kommunalen Kläranlage und in einer Vorkläranlage der Warsteiner Brauerei, in der das Abwasser des Getränkeproduzenten aufbereitet wird, gefunden worden. Die Keime im Wasser waren über die Klärbetriebe bis zu einer Firma gelangt, über deren Kühlanlage sie mit dem Wasserdampf in die Luft gelangten. "Eine endgültige Ursache ist aber noch nicht gefunden worden", sagt Bürgermeister Gödde.
Dass die Stadt ein schwieriges Jahr hinter sich hat, ist auch in der Politik angekommen: "Uns ist bewusst, dass die Auswirkungen des Legionellenausbruchs auch heute noch spürbar sind“, sagt Arnsbergs Regierungspräsident Gerd Bollermann ein Jahr nach der Legionellenwelle. "Einige der damals Erkrankten leiden nach wie vor unter Spätfolgen, Angehörige trauern um ihre Verstorbenen“, ergänzt er.
Rund ein Dutzend Betroffene, haben mittlerweile einen Rechtsanwalt beauftragt haben, um die Suche nach der Ursache und einem möglichen Verursacher zu beschleunigen. Sollte der gefunden werden, soll eine Schmerzensgeld-Klage eingereicht werden.
Investitionen in die Infrastruktur
Dieses Trio hofft nur Gutes für Warstein.
Damit es nicht wieder zu einem Legionellen-Ausbruch in Warstein kommt, wird in ein Konzept zur Abwasser-Aufbereitung investiert, teilte Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, mit. Die Vorklärung der Brauereiabwässer wird auf dem Gelände der Warsteiner Brauerei vollständig aufgegeben. Die Brauereiabwässer werden zukünftig direkt über ein geschlossenes Kanalsystem – und getrennt von häuslichem Abwasser oder Regenwasser – der Kläranlage des Ruhrverbandes zugeleitet.
Regelmäßige Gewässeruntersuchungen sollen zudem für mehr Sicherheit sorgen, so Söbbeler. Sicherheit, die sich die Menschen in Warstein wünschen. "Da war viel Verunsicherung", sagt Hilda Becker, die es sich neben Willi Luig und Peter Mazurkiewicz auf einer Bank in der Innenstadt gemütlich gemacht hat. Das Trio fiebert jetzt besonders der Montgolfiade entgegen: "Hier gibt’s ja sonst nichts anderes", findet Mazurkiewicz.
"Viel kaputt gemacht."
Wenig los am Obststand von Karl-Heinz Opsölder: "Das liegt am Sommer."
Ein paar Meter weiter am Marktstand von Karl-Heinz Opsölder ist wenig los. "Das liegt aber am Sommer, nicht an den Legionellen", sagt der Markthändler. "Die Reisewarnung damals hat hier viel kaputt gemacht." Wie alle Warsteiner hegt er aber die Hoffnung, dass die Stadt künftig wieder ein besseres Image bekomme und vor allem von Legionellen verschont werde.