Dass es bei der Aktuellen Stunde im Landtag über Opel friedlich zugehen würde, war schon nach einem Blick auf die Tagesordnung ziemlich unwahrscheinlich. SPD und Grüne hatten beantragt, über die Verantwortung der Firma Opel für die Mitarbeiter zu sprechen. Die CDU hingegen wollte die Wirtschaftspolitik der Landesregierung am Beispiel der drohenden Werksschließung geißeln. Die Fronten sind also vorgezeichnet, als das Parlament am Donnerstag zusammenkommt. Und auch das Erscheinen von 21 Mitgliedern des Opel-Betriebsrates auf der Tribüne scheint eher anzustacheln als zu beruhigen. Selbst die Ministerpräsidentin fällt aus der Rolle. Doch der Reihe nach.
"Arbeiterführer" Rüttgers in Detroit
Zunächst sollte man daran erinnern, dass das Schicksal von Opel nicht zum ersten Mal im Düsseldorfer Landtag diskutiert wird. Seit Jahren schon geht es im Bochumer Werk um Kürzungen, Entlassungen, Schließungen. Und ebenso lange haben Landespolitiker ihren Einfluss zu nutzen versucht, jenes Ungemach von Bochum fern zu halten. Das gilt für die SPD, die die Malocher in Bochum schon immer als Zielgruppe im Auge hatten. Das gilt aber auch für die CDU und ihren "Arbeiterführer", Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. In dessen Regierungszeit begann die große Krise von General Motors, und Rüttgers eilte 2009 medienwirksam nach Detroit zum Sitz von GM, um Lobbyarbeit für das NRW-Werk zu machen. Viel erreicht hat er damals nicht, und trotzdem spielte Rüttgers' Amerika-Reise nun im Landtag wieder eine Rolle.
Von Sprachlosen und Brandstiftern
Nämlich als positives Vorbild. Der erste, der darauf zu sprechen kommt, ist Oppositionsführer Karl-Josef Laumann (CDU). Nachdem der CDU-Fraktionschef - wie alle Redner - Solidarität mit den Arbeitern von Opel bekundet hat, vergleicht er das Engagement seines früheren Regierungschefs mit dem der amtierenden Regierung. Das Ergebnis fällt für Laumann eindeutig aus: "Andere sind nach Detroit geflogen, und Sie schaffen es nicht einmal nach Bochum", ruft Laumann der Ministerpräsidentin zu. Er wirft Kraft Sprachlosigkeit vor und ihrem Wirtschaftsminister Garrelt Duin Untätigkeit. Duin sei ein Feuerwehrmann, der erst komme, "wenn es nur noch qualmende Ruinen gibt". Jetzt wird es laut im Landtag, Worte wie "Spalter" und "Brandstifter" kommen aus den Koalitionsreihen herangeflogen. Es ist Druck im Abgeordneten-Kessel.
Lindner reizt Genossen bis aufs Blut
Und wie man den Druck noch steigern kann, versteht niemand so gut wie FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Ohne Redemanuskript, aufreizend lässig am Pult lehnend, feuert er Salve um Salve auf die Landesregierung. Er erinnert Kraft an ihre Zeit als Oppositionsführerin, als sie sich "ans Werkstor von Opel ketten ließ". Heute hingegen würde sie Opel "mit spitzen Fingern anfassen" und das Thema "dem politischen Leichtgewicht" Garrelt Duin überlassen. Der wiederum habe nichts getan, um den Beschäftigten zu helfen. Wegen dieser Untätigkeit trage die Landesregierung die Verantwortung dafür, dass die Beschäftigten den ausgehandelten Tarifvertrag abgelehnt hätten und das Werk schon Ende 2014 geschlossen werde.
Frau Kraft gerät außer sich
Eine kühne Behauptung, aber der ganze provokante Auftritt Lindners trifft die Genossen ins Mark. Ob Hannelore Kraft vorhatte zu sprechen, sei dahingestellt. Auf der Rednerliste stand sie jedenfalls nicht. Doch nach Lindners Brandrede hält es sie nicht auf dem Stuhl. Immer lauter werdend wirft sie Lindner billige Polemik vor. "Sie kochen ihr dünnes Oppositionssüppchen auf Kosten der Opelaner", keilt sie. Rüttgers' Reise nach Amerika, sagt sie, sei ein Ausflug für die Kameras gewesen. Sie hingegen sei nicht diejenige, die die großen Showtermine suche. Den letzten Satz schreit Kraft heraus, als Antwort kommt von Oppositionsseite lautes Gelächter.
Es war kein überzeugender Auftritt. Und spätestens jetzt sind die Regierungsfraktionen damit gescheitert, die Aktuelle Stunde zum großen Solidaritätssignal zu machen. Die schrillen Töne überlagern die gemäßigten Reden, die fraktionsübergreifend insbesondere von Abgeordneten aus Bochum kommen. Der Appell, Opel nicht aus der Verantwortung zu lassen, geht unter im Geschrei der Parteipolitik. Jedenfalls beinahe.
Positive Signale vom Wirtschaftsminister
Bei all der Aufregung ist es ausgerechnet der so hart gescholtene Wirtschaftsminister, der mit einer sehr sachlichen Rede doch noch ein positives Signal in Richtung Opel-Belegschaft sendet. Man musste allerdings genau hinhören. Duin spricht von "kleinen Chancen", die genutzt werden sollen. Und dafür sei es schädlich, zu früh an die Öffentlichkeit zu gehen. Als Mittler will Duin auftreten, der die Verhandlungspartner von Unternehmen und Gewerkschaft dazu bringt, wieder miteinander zu reden. Der Opposition bietet Duin an, sie regelmäßig über den Verhandlungsstand zu informieren - allerdings vertraulich. Denn Vertraulichkeit sei geboten in den schwierigen Verhandlungen.
Wovon spricht Duin eigentlich? Gemeint ist einerseits die geplante Entwicklungsgesellschaft für Bochum, die eine Perspektive aufzeigen soll für die Zeit nach Opel und in die der Konzern einzahlen soll. Möglicherweise hat Duin aber noch etwas Anderes im Blick. Just am Tag der Aktuellen Stunde berichtet die "Waz", die Opel-Mitarbeiter wollten erneut über den Sanierungsplan abstimmen - der ein Überleben des Werks immerhin bis 2016 ermöglicht hätte. Der Betriebsrat und die Werksführung bestreiten, dass es zu einer neuen Abstimmung kommt. Aber offenbar ist bei Opel in Bochum noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Das sagt, nach der Debatte, auch Rainer Einenkel, der Betriebsratsvorsitzende von Opel in Bochum. "Wir sind nicht am Ende der Diskussion." Und: "Ich habe heute viele gute Signale gehört."