"Das Glas für Opel ist halbvoll, nicht halb leer", sagt Stefan Bratzel von der FH Bergisch-Gladbach. "Es ist ein Segen, dass dieser Deal mit Magna geplatzt ist", betont auch Wolfgang Meinig, Professor für Automobilindustrie an der Universität Bamberg. Die meisten Experten in der Automobilbranche sind sich einig: Opel hat mit einem Verbleib bei der verhassten amerikanischen Konzernmutter General Motors vielleicht bessere Zukunftschancen als durch einen Verkauf an den Zulieferer Magna. Und das könnte insbesondere für das Werk in Bochum mit seinen knapp 5.000 Mitarbeitern gelten, die GM im Frühjahr noch auf die Schließungsliste gesetzt hatte.
Einenkel pocht auf weiter gültigen "Zukunftsvertrag"
So groß die Wut und Enttäuschung über die plötzliche Kehrtwende von GM auch sein mag, für die Opelaner in Bochum könnte die Zukunft mit dem neuen und alten Eigentümer mittelfristig sogar eine bessere sein. "Es gab ja in der Nacht vom vergangenen Dienstag schon viele Gerüchte, Bochum solle geschlossen werden. Das ist Unsinn", sagt der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. "Es gibt neue Pläne von GM, die den Erhalt von Bochum vorsehen, und darauf beziehe ich mich. Außerdem haben wir mit der Konzernmutter, bei der wir immer noch sind, einen Zukunftsvertrag abgeschlossen."
Dieser Vertrag aus dem Jahr 2008, auf den sich der Betriebsrat bezieht, sieht vor, dass spätestens ab 2011 mindestens zwei neue Opel-Modelle in Bochum gebaut werden - die neue Generation von Astra und Zafira. Garantiert wird auch, dass bis 2016 betriebsbedingte Kündigungen weiterhin ausgeschlossen bleiben. Dieser Vertrag wäre bei einem Verkauf an Magna hinfällig gewesen. "Es wäre schwierig gewesen, Magna davon zu überzeugen, sozusagen in Rechtsnachfolge zu treten und diesen Vertrag zu erfüllen", erklärt Einenkel. "Insofern macht der Verbleib bei GM vieles für uns einfacher."
"Wir haben einen Zukunftsvertrag"
Ob GM sich immer noch vollständig an den Zukunftsvertrag gebunden fühlt, weiß man allerdings auch in Bochum nicht. "Aus der Erfahrung der Vergangenheit wissen wir: Wenn ein Unternehmer und der Betriebsrat etwas ausgehandelt haben, dann versuchen Unternehmer meistens, das nachher noch einmal in Frage zu stellen", sagt Einenkel. Und: "Es würde mich wundern, wenn das diesmal anders wäre." Meist haben solche Verträge über die Weiterführung eines Standortes Öffnungsklauseln, die unter bestimmten Bedingungen vorsehen, dass der Vertrag neu verhandelt werden muss. Dennoch ist sich der Betriebsratschef sicher: "Dieser Vertrag hat Bestand. Und weil wir immer noch bei dem Eigentümer sind, mit dem wir ihn geschlossen haben, können wir nun mit dem Argument verhandeln: Ihr habt doch gesagt, dass Bochum nicht geschlossen wird."
"NRW wird Geld geben"
Neue Hoffnung für das Bochumer Opel-Werk gibt es auch noch aus einem ganz anderen Grund, unabhängig von der Einhaltung des Zukunftsvertrages. "General Motors wird zu Rüttgers gehen, und NRW wird Geld für Opel geben", ist sich Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom "Car-Center" an der Uni Duisburg-Essen sicher. Selbst in Detroit sei man sich klar darüber, dass die im Mai 2010 anstehende NRW-Landtagswahl besonders wichtig für die noch junge schwarz-gelbe Regierung ist. Rüttgers darf die Wahl demnach auf keinen Fall verlieren - da komme die Rettung des Opel-Werkes in seinem Bundesland gerade recht. "Rüttgers ist unter Druck, er wird nachgeben. Da kann man fast schon die Uhr danach stellen", so die Erwartung Dudenhöffers.
Auch der Betriebsratschef hofft auf Unterstützung aus Düsseldorf für seinen Standort. "Die Landesregierung wird alles tun, um zu helfen, dazu gehört auch finanzielle Unterstützung", sagt er. Es ginge dabei allerdings nicht um Geschenke, sondern um Kredite, die auch zurückgezahlt werden müssten. Dafür brauche Opel ein tragfähiges Konzept - das müsse GM nun vorlegen, das erwarte die Landesregierung, und das erwarten die Opelaner von ihrem Eigentümer. "Der Ball liegt jetzt bei General Motors", sagt Einenkel.