Reizvoll war, dass das Feld der Politik damals so unbeackert war - ein richtiger Neuanfang", erzählt John van Nes Ziegler. Nach dem Krieg trat der heute 85-jährige Kölner dem SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) bei, 1953 wurde er Landtagsabgeordneter, zehn Jahre später Oberbürgermeister seiner Heimatstadt, Präsident des Landtags von 1966 bis 1970 und noch einmal von 1980 bis 1985. Auf vier Jahrzehnte nordrhein-westfälischer Politik kann der ehemalige SPD-Politiker zurück schauen. So viel verändert habe sich seit den Anfängen allerdings nicht, meint van Nes Ziegler.
"Die Politik heute funktioniert immer noch wie damals", sagt er. In Zeiten von Telefon, Fax und E-Mail habe sie allerdings ein anderes Tempo bekommen. "Wenn wir in den Anfangszeiten nach dem Krieg ein Begehren hatten, haben wir halt Briefe oder Rundschreiben verfasst oder sind direkt zu den Beteiligten hingefahren." Eine ausladende Sitzecke in seinem Privathaus mit tiefen Sofas und Sesseln erinnert an diese Zeit. "Diesen Raum habe ich damals extra angebaut, damit wir alle immer genug Platz für unsere Besprechungen hatten", schmunzelt van Nes Ziegler.
Beeindruckt von der Solidarität der Menschen
Die Themen der Politik seien vor 60 Jahren allerdings andere und vielleicht auch einfacher zu lösen gewesen, schränkt der gelernte Rechtsanwalt ein. "Wichtig war damals erst einmal, dass die Menschen etwas zu essen bekamen und ein Dach über den Kopf." Dabei wäre er statt Politiker lieber Journalist geworden: "Aber mein Vater hat zu Beginn meines Studiums gesagt, da schreibst du doch nur auf, was der Goebbels sagt, und nachher dauert das Dritte Reich wirklich noch 1.000 Jahre." Zudem habe ihn die Solidarität der Menschen untereinander in den ersten Nachkriegsjahren beeindruckt. "Wir hatten ja damals noch nicht mal was zum Anziehen, haben aus der Not heraus unsere Uniformen umgefärbt", erzählt er. Aber wer zwei Kleidungsstücke gehabt habe, habe eins davon abgegeben. "Diese Hilfsbereitschaft war so toll", so van Nes Ziegler, "da wollte ich auch etwas tun."
Schwerpunkt
Badehosen mit Zwickel als Wahlkampfthema
1953 kandidierte er dann das erste Mal für den Düsseldorfer Landtag. "Die Politik brauchte unbedingt junge Leute, weil direkt nach dem Krieg kaum einer mehr in eine Partei wollte", erzählt der ehemalige Landtagspräsident. Die ersten Jahre seien allerdings steinig gewesen, bestimmt vom Kampf gegen die Politikverdrossenheit der Menschen. "Die Leute waren schwer zu gewinnen, weil sie sich betrogen fühlten", so van Nes Ziegler. "Erreichen konnte man sie damals eigentlich nur mit Diskussionen über Werte oder Moral." Zum Beispiel erregte die Schicklichkeit und der Chic damaliger Männer-Badehosen die Gemüter so, dass sie sogar zum Thema im Wahlkampf wurden, erinnert sich der ehemalige Politiker.
Unvergesslich für ihn auch das Jahr 1966, in dem er nach dem Sturz des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Franz Meyers zum Landtagspräsidenten ernannt wurde - das "tollste Amt überhaupt", wie er heute sagt: "Das war wie in einer eigenen Behörde. Ich konnte völlig unabhängig arbeiten." Deshalb war diese Aufgabe für ihn neben dem Kölner Oberbürgermeisteramt auch der Gipfel seiner Karriere: "Politik war zwar ein großer Teil meines Lebens, aber ich habe dann doch auch das Leben selbst sehr geliebt", sagt er lachend und nach einer kurzen Pause: "Obwohl... wenn ich jünger wäre, würde ich heute auch noch Politik machen!"