Steinkohletag in Essen

Planspiele für die Zeit nach der Kohle

Stand: 11.11.2013, 17:20 Uhr

Die Stimmung beim Steinkohletag in Essen war am Montag (11.11.2013) eher gedrückt. 2018 ist Schluss für die letzten drei deutschen Zechen, die alle in NRW stehen. Doch es gab auch Ideen, was aus den Zechen werden und wer dort künftig noch Arbeit finden könnte.

Jörg Marksteiner | Bildquelle: wdr

Rund 950 Vertreter aus Bergbau, Industrie und Gewerkschaften haben sich in Essen auf dem Steinkohletag getroffen. Das traditionsreiche Treffen der Interessensgruppen rund um die Kohle fand heute zum vorletzten Mal überhaupt statt. Das nächste Mal will man sich erst wieder 2018, im Ausstiegsjahr treffen, der normale Turnus war bis jetzt alle zwei Jahre. WDR-Energieexperte Jörg Marksteiner hat das Treffen beobachtet.

WDR.de: Das Treffen war äußerst kurz. Gab es so wenig zu besprechen?

Jörg Marksteiner: Ja, es war auf jeden Fall kürzer als sonst. Früher ging das immer einen ganzen Tag, heute war nach einem halben Tag Schluss. Die Veranstalter sagen eben, es sei nicht mehr selbstverständlich, dass viele Leute hierherkämen, weil die Steinkohle nicht mehr so viel Bedeutung hat.

WDR.de: 2018 ist Schluss mit der Steinkohle - hat das die Stimmung nach unten gezogen?  

Marksteiner: Ich finde schon, dass eine Grund-Bedrücktheit über der Veranstaltung lag. Die Teilnehmer sagten, wir sind mit unserer Technik weltweit Spitze, wir könnten gut weiter machen, wir dürfen aber aus politischen Gründen nicht. Es ging also darum: Wie schafft es der Bergbau, die jetzt noch 14.500 Arbeitsplätze schonend abzubauen.

WDR.de: Welche Antworten wurden gefunden?

Marksteiner: Die RAG wird dauerhaft noch ungefähr 1.000 Mitarbeiter benötigen. Die müssen beispielsweise das Grubenwasser weiter abpumpen. Allein das Ruhrgebiet ist über die Jahre im Schnitt 12 Meter abgesackt, es gibt Städte, da sind es fast 30 Meter, und wenn man da nicht regelmäßig abpumpt, dann entsteht dort eine Art Seenplatte. Dann braucht man noch Leute zur Regulierung von Bergschäden, und der Bereich Kohlehandel wird erhalten bleiben. Das sind natürlich nicht die klassischen Untertagejobs. Die Älteren bekommen zum Teil Anpassungsgelder und scheiden dann sozialverträglich aus. Für die Jüngeren versucht man eben möglichst viele Ersatzarbeitsplätze zu finden. Sehr gute Chancen haben die Leute von der Grubenwehr, die werden bei der Feuerwehr mit Kusshand genommen.

WDR.de: NRW Wirtschaftsminister Garrelt Duin hat gesagt "Windkraft braucht auch Kohle", ist das auch mit der Aussicht auf Arbeitsplätze verbunden?

Marksteiner: Er meint damit, dass wir eine Absicherung brauchen, für die Zeiten, wenn Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen. Da hat er sich zwar ganz klar hinter die Steinkohle gestellt, allein die heimischen Kumpel haben davon nichts. Die Kohle, die in unseren Kraftwerken verbrannt wird, kommt zu 80 Prozent aus dem Ausland, vor allem aus Russland, den USA und Kolumbien. Es kostet tatsächlich nur die Hälfte, die Kohle um die halbe Welt zu uns zu verschiffen, als sie hier in Bottrop aus dem Boden zu holen. Was man dabei natürlich nicht berücksichtigt ist, dass wir hier bei der Arbeitssicherheit weltweit Spitze sind, da ist die Situation in Ländern wie Kolumbien dramatisch schlechter.

Die letzten drei Zechen in Deutschland | Bildquelle: WDR, Wache

WDR.de: Was passiert denn mit den Zechen, die jetzt geschlossen werden?

Marksteiner: Dort holt man die Technik raus, das dauert gut ein Jahr. Die Maschinen werden auseinandergeschraubt und nach oben geholt. Der Bergbaukonzern RAG hat eine eigene Tochterfirma, die sich nur damit beschäftigt, das Equipment und das Know-how zu verkaufen. Damit ist auch die Hoffnung verbunden, dass man zu einer Art Beratungsunternehmen in Sachen Bergbau wird. Zum Beispiel berichtete Wirtschaftsminister Duin von einer Anfrage aus China, dort eine Art Vorzeige-Bergwerk komplett mit Technik aus NRW zu bauen, um den neuesten Stand der Technik zu präsentieren. Große Hoffnungen setzt man auch darauf, die Halden mit Windkraftanlagen und Solarparks zu bestücken. Eine andere Idee ist es, Wasser die Schächte hinunterstürzen zu lassen und so Turbinen anzutreiben, also ein Pumpspeicherkraftwerk zu betreiben.

WDR.de: Was ist für Sie das Fazit dieses vorletzten Steinkohletages?

Marksteiner: Es ist der Versuch, den politisch verordneten Ausstieg sozialverträglich hinzubekommen. Anfang des Jahres waren 17.000 Menschen in der Steinkohle-Industrie beschäftigt, Ende des Jahres werden es nur noch 14.000 Menschen sein. Pro Jahr werden also rund 3.0000 Arbeitsplätze in NRW wegfallen - und dabei ist man um eine sanfte Landung bemüht.

Das Gespräch führte Martina Welchering.