Hohe Verluste musste RWE im vergangenen Jahr verbuchen. Durch den Atomausstieg und den anhaltenden Preisverfall auf dem Gasmarkt brach der Nettogewinn des Essener Konzerns 2011 um rund 45 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro ein. Auf der Hauptversammlung des Konzerns zeigt sich der scheidende RWE-Chef Jürgen Großmann jedoch zuversichtlich.
Er hält die Ziele der Politik zur Energiewende für machbar. "Im Jahr 2050 kann die deutsche Stromversorgung klimaneutral sein", sagte Großmann vor der Aktionärsversammlung am Donnerstag (19.04.2012) in Essen. Die Risiken auf dem Weg dorthin seien allerdings enorm. Unter anderem seien im vergangenen Jahr auf einen Schlag 40 Prozent der Kernkraftwerkskapazität vom Netz genommen worden. Die Energieversorgung operiere seitdem an der Belastungsgrenze.
RWE legt Verfassungsklage gegen Atomgesetz ein
In der Öffentlichkeit gilt Großmann als Treiber der Atomkraft, spätestens seit er sich bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vehement für längere Meilerlaufzeiten ins Zeug gelegt hatte. Kernkraftgegner betitelten ihn daraufhin mit "Atom-Dino". Und auch auf der Hauptversammlung machte er diesem Titel alle Ehre: Der Atomausstieg sei eine Entscheidung der Bundesregierung, die RWE akzeptiere, sagte er. "Es ist aber zu klären, wie der entstandene Schaden für die Unternehmen ausgeglichen wird", betonte er. Wie jetzt bekannt wurde, hat RWE genau aus diesem Grund bereits im Februar Verfassungsklage gegen das Atomgesetz der Bundesregierung eingereicht. Wettbewerber Eon hatte bereits 2011 gegen das Gesetz geklagt.
Ausdrücklich verteidigte Großmann außerdem die juristischen Schritte, die der Konzern nach der Energiewende gegen die Bundesrepublik eingeleitet hatte: die Klagen gegen das dreimonatige Kernenergiemoratorium und die Kernbrennstoffsteuer sowie die Verfassungsbeschwerde gegen die Novellierung des Atomgesetzes. "Ich halte es nach wie vor für richtig, dass RWE als erster den Mut hatte, diese Klagen gegen massiven politischen und öffentlichen Druck anzustrengen." Dies sei der Konzern den Aktionären schuldig. Schließlich belaste der Kernenergieausstieg das Ergebnis von RWE allein 2011 mit rund 1,3 Milliarden Euro.
Investitionen in erneuerbare Energien
Großmann bekräftigte, dass RWE bis 2014 insgesamt 16 Milliarden Euro investieren wolle, insbesondere um den Kraftwerkspark auszubauen. In den Ausbau erneuerbarer Energien sollen bei der Tochter RWE Innogy bis 2014 insgesamt 4 Milliarden Euro fließen, unter anderem in Windenergie. Darüber hinaus steckt RWE Milliarden in Offshore-Windparks in Großbritannien.
Umweltschützer protestieren gegen Kohlekraftwerke
Umweltschützer verlangten vor der RWE-Versammlung lautstark die Abkehr von Kohlekraftwerken. Mehrere Protestierende, die die Absperrung durchbrechen wollten, wurden laut Polizei vorübergehend festgenommen. RWE stößt mit seinen Stein- und Braunkohlekraftwerken in Europa das meiste CO2 aus. Greenpeace fordert, auf den Neubau eines Braunkohlekraftwerks im Rheinland und des Kohlekraftwerks im niederländischen Eemshaven an der deutsch-niederländischen Grenze zu verzichten. Das Kohlekraftwerk gefährde das Wattenmeer. Großmann hält fossile Kraftwerke allerdings für notwendig, um die schwankende Einspeisung grüner Energie auszugleichen.
Neuer RWE-Chef kommt aus den Niederlanden
Großmann hält an diesem Donnerstag seine letzte Hauptversammlung als Vorstandsvorsitzender ab. Der 60-Jährige Selfmade-Milliardär verlässt den RWE-Konzern am 30.Juni. Was dann kommt, weiß nur Großmann selbst. In den Aufsichtsrat wechselt er nicht, zumindest erstmal nicht. Ein Konzernchef darf auch bei RWE nicht ohne eine Pause von zwei Jahren in das Kontrollgremium wechseln. Von einer Aufgabe außerhalb von RWE ist bisher nichts bekannt. Sein eigenes Unternehmen, die Georgsmarienhütte, leiten andere für ihn. Großmanns Nachfolger bei RWE wird der Niederländer Peter Terium.