Rund fünf Monate nach seiner Ausstrahlung hat der vom WDR in Auftrag gegebene TV-Zweiteiler "Eine einzige Tablette" erneut die Justiz beschäftigt. Die Pressekammer des Landesgerichts Hamburg wies am Freitag (18.04.08) vier Klagen als unbegründet ab. Der Contergan-Hersteller Grünenthal und der frühere Opferanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen hatten mehrere Passagen wegen Verdrehung der historischen Tatsachen beanstandet. Außerdem sahen sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt.
Das Urteil hat noch keine Rechtskraft. Grünenthal will laut Presseerklärung erst die Urteilsbegründung prüfen und dann über weitere rechtliche Schritte entscheiden.
Kunstfreiheit gegen Persönlichkeitsrecht
Die Pharmafirma Grünenthal hatte zuvor die Ausstrahlung des Films mit einstweiligen Verfügungen verzögert. Das Oberlandesgericht in Hamburg (OLG) hob jedoch vor einem Jahr diese Verfügungen gegen Schlüsselszenen weitgehend auf. Jetzt stimmte die Pressekammer des Landgerichts der Sichtweise des hanseatischen OLG zu. Insbesondere durch die Ausstrahlung eines Vor- und Nachspanns sei der fiktive Gehalt des Films deutlich hervorgehoben worden. Bei einer Abwägung komme dem Persönlichkeitsschutz der Klägerseite deshalb ein geringeres Gewicht zu. Außerdem seien Drehbuchszenen, die die Pressekammer als schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts angesehen hatte, gar nicht erst verfilmt worden.
"Sieg auf der ganzen Linie"
Der WDR fühlt sich nach Worten von Intendantin Monika Piel in seiner Sichtweise bestätigt. "Historische Stoffe, wie eben dieser frühere Pharmaskandal, können und wollen wir weiterhin aufarbeiten", erklärte sie in einer Mitteilung des Senders. Der Film "Contergan" und die begleitenden Sendungen hätten eine einzigartige Debatte ausgelöst. "Dass uns in der Folge sogar die Renten der Contergan-Opfer verdoppelt wurden, freut uns besonders", so Piel. Die Produktionsfirma Zeitsprung wertete das Urteil als "Sieg auf der ganzen Linie". Deren Geschäftsführer Michael Souvignier sagte: "Wir freuen uns riesig." Die Firma Grünenthal bedauerte dagegen in einer Presseerklärung die Entscheidung des Landgerichts. Der Film gebe "ein unzutreffendes Bild von den damaligen Vorgängen".
"Eine einzige Tablette" wurde im November 2007 ausgestrahlt. Der Film des WDR thematisiert den Skandal um das Schlafmittel Contergan. Nach dessen Einnahme brachten Mütter Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre tausende missgebildete Kinder zur Welt.