Die Aktivisten nahmen am Dienstagabend Babybrei als erste Nahrung zu sich. "Als Zeichen des guten Willens sind wir bereit, den Druck vorläufig herauszunehmen", sagte der Sprecher, Stephan Nuding. Die Gruppe verlangt eine Erhöhung der Opferrenten von derzeit 1090 Euro monatlich auf maximal 3290 Euro in 2009 und die sofortige Auszahlung der vom Aachener Pharmakonzern Grünenthal angekündigten 50 Millionen Euro an die Betroffenen. Daneben fordert die Gruppe weiterhin eine Einmalzahlung von einer Million Euro pro Opfer.
Nach Angaben des Bundesverbands Contergan ist aber eine andere Regelung schon in Vorbereitung. Die von Grünenthal bereitgestellten 50 Millionen sollen in die Conterganstiftung eingebracht werden. Damit stünden rund 100 Millionen Euro für Einmalzahlungen an Betroffene in den nächsten Jahren zur Verfügung.
Kein Kontakt zwischen Grünenthal und Hungerstreikenden
Die NRW-Behindertenbeauftragte Angelika Gemkow zeigte sich erleichtert über das Ende des Hungerstreiks. "Es ist jetzt an der Zeit, auf Bundesebene intensive Gespräche über eine Verbesserung der sozialen Leistungen für alle Conterganopfer zu führen", hieß es in einer schriftlichen Erklärung.
Grünenthal hatte auf den Hungerstreik nur mit einer schriftlichen Erklärung reagiert, das Bundesfamilienministerium schickte einen Mitarbeiter zu einem informellen Gespräch. Nach Angaben der Streikenden gab es auch Gespräche mit Bundestagsabgeordneten.
Streik war "Schrei nach Gerechtigkeit"
Sieben Kilogramm Körpergewicht habe er in den knapp vier Wochen verloren sagte Nuding, der aber nicht geschwächt wirkte. Seiner 79-jährigen Mutter gehe es "den Umständen entsprechend". Der erste Aktivist hatte den Hungerstreik nach rund zwei Wochen beendet, nach Angaben der Gruppe wegen gesundheitlicher Probleme. Zu Beginn der Aktion hatte sich die Gruppe sehr kämpferisch gegeben. "Von unseren Forderungen werden wir kein Jota abweichen. Der Hungerstreik ist für uns die letzte Chance, und das ziehen wir durch bis zur letzten Konsequenz", so Nuding vor vier Wochen.
Die Aktion sei kein Druckmittel gewesen, sondern "der verzweifelte Schrei nach Gerechtigkeit", erklärte der 47-jährige Nuding nach Ende des Hungerstreiks. Viele Conterganopfer litten unter Folgeschäden, weil sie zum Beispiel ihre Füße als Hände einsetzen mussten. Vielen drohe Altersarmut.
Weltweit noch 2.800 Contergan-Betroffene
Grünenthal hatte das Medikament Contergan 1957 auf den Markt gebracht, dessen Wirkstoff Thalidomid bei rund 5.000 Kindern in Deutschland beträchtliche Fehlbildungen an den Gliedmaßen und an inneren Organen auslöste. Ein Strafprozess war 1970 wegen geringer Schuld eingestellt worden.
Laut Opfer-Verband leben heute noch rund 2.800 Betroffene. Der weltweit agierende Pharmakonzern mit rund 800 Millionen Umsatz hatte im Frühjahr eine freiwillige Zahlung von 50 Millionen Euro für die Conterganopfer angekündigt.