Er ist und bleibt ein alter Medienprofi. Ganz kurzfristig, von einem Tag auf den anderen, hat Wolfgang Clement zur Pressekonferenz geladen. Und das nicht in irgend ein Tagungshotel, sondern in das Rheinhotel Dreesen, wo Hitler sich einst mit dem britischen Premier Chamberlain traf und wenig später der amerikanische Oberkommandierende Eisenhower sein Quartier aufschlug. Eine grandiose Aussicht hat es auch, auf den Petersberg - noch ein historisch bedeutsamer Ort. Kein Wunder, dass der kleine Wintergarten mit Blick auf das liebliche Siebengebirge schon eine Stunde vor dem offiziellen Beginn heillos überfüllt war: Heute würde irgendetwas Denkwürdiges passieren. Schließlich droht aus dem Ex-Ministerpräsidenten und Ex-Bundesminister ein Ex-Genosse zu werden - wenn, ja wenn er nicht endlich auf seine verärgerten Genossen zugeht und verspricht, sich nicht mehr einzumischen. Gibt er dem Drängen der Parteioberen nach? Oder gibt er sein Parteibuch ab, ehe er ausgeschlossen wird?
Routiniert und verklausuliert
Zwei Minuten vor der Zeit schlängelt sich der Mann, den die einen für einen Mann mit Prinzipien halten, die anderen einfach für einen Sturkopf, an den Kameras vorbei. Luftiger Freizeitdress, leicht gebräunt, in der Hand ein Stapel Kopien mit der Erklärung, die er erst jetzt verteilen lässt. Während die Journalisten versuchen, dort die entscheidenden Worte zu finden, stellt er sich dem Blitzlichtgewitter. "Jetzt ist aber gut", sagt er freundlich. Zeit, seine Botschaft loszuwerden.
Die verbreitet er routiniert - und verklausuliert zugleich. "Ich bin und bleibe Sozialdemokrat", war eine der wenigen klaren Aussagen. Soll heißen: Freiwillig verlässt er die SPD nicht. Und: "Ich werde mich auch weiterhin an öffentlichen Diskussionen beteiligen" - keine Chance für die Genossen, die ihm eine Brücke bauen wollen. Bei den hessischen Parteifreunden, die sich durch seinen Kommentar zum SPD-Energiekonzept "im Stich gelassen fühlten", entschuldigt er sich nicht ausdrücklich, sondern drückt nur sein "Bedauern" aus. "Ich habe viele Mails von Leuten bekommen, die für mich wichtig sind, die gesagt haben, vergiss nicht die Leute, die Plakate kleben." In der Sache hat er aber Recht, lässt er gleich wissen. Clement rückt an diesem Mittag allenfalls einen Millimeter von der Position ab, die er seit Wochen vertritt. Und das ist die eigentliche Botschaft des Tages.
"Da war ich schon erschrocken"
Als er das DIN-A-4-Blatt zur Seite legt, stehen Schweißtropfen auf seiner Stirn. Die sind aber der Schwüle und den Scheinwerfern geschuldet, keiner Nervosität. Clement wirkt locker, posiert für die Fotografen, macht Scherze. Genüsslich zitiert er aus einer Karte, die ihm sein einstiger Gegner Jürgen Trittin schickte: "Ich teile sicher nicht alle Ihre Ansichten. Aber dass Sie kein Sozialdemokrat sein sollen, halte ich für absurd." Die Journalisten lachen, Clement freut sich. Dass die Diskussionen um seine Äußerungen und seine Person Spuren hinterlassen haben: Auch das sagt er nur durch die Blume. "Versuche, mich in die Nähe irgendeiner Unehrenhaftigkeit zu bringen, sind nicht gut", sagt er, und: "Als ich das in Italien von der Landesschiedskommission gehört habe, war ich schon erschrocken." Da hatte die NRW-SPD seinen Ausschluss beschlossen. "Aber dann habe ich mit Otto Schily ein Glas Wein getrunken, und dann war gut." Er lacht wieder.
Der historische Moment ist aufgeschoben
Nach genau 30 Minuten macht er Schluss. Lässt sich noch einmal von allen Seiten fotografieren, stellt sich dann für die Kamerateams vor das große Panoramafenster, wo ein kühler Wind hereinweht: Die Journalisten haben noch viele Fragen. "Ich will keine Vermittlung", dringt es durch das Klack-Klack der Blitzlichter. "Nein, das ist keine Zerreißprobe." Und schließlich: "Wir sind hier nicht im Krieg." Ein paar gute Zitate, viele schöne Bilder, die Clement der Presse verschafft hat - aber nichts Geschichtsträchtiges. "Na, warten wir mal auf Berlin", sagt ein Journalist, als er seine Notizen einpackt. Da entscheidet die SPD endgültig darüber, ob Clement gehen muss oder bleiben darf.