Verdacht auf Untreue und Bestechlichkeit
Schwarze Kasse bei Landesarchivbau?
Stand: 10.02.2011, 20:12 Uhr
Für die Regierung Rüttgers war es ein Prestigeobjekt, der Bau des Landesarchivs im Duisburger Hafen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft: Eine "schwarze Kasse" könnte bei der Kostenexplosion des Archivbaus eine Rolle gespielt haben.
Von Jürgen Zurheide
Im Zusammenhang mit dem Duisburger Landesarchiv tauchen immer neue Ungereimtheiten auf. Zu der Kostenexplosion von ursprünglich veranschlagten 80 Millionen Euro Baukosten auf vermutlich den doppelten Betrag hat möglicherweise auch eine schwarze Kasse beigetragen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal geht jedenfalls von einem Anfangsverdacht wegen Untreue, Bestechlichkeit oder Vorteilsgewährung gegen mehrere Beteiligte aus, darunter auch den ehemaligen Geschäftsführer des BLB (Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW).
Undurchsichtige Grundstücksgeschäfte rings um das Projekt Landesarchiv im Duisburger Binnenhafen beschäftigen die Ermittler schon seit längerem. Das Land wollte die notwendigen Gebäude ursprünglich für etwas mehr als drei Millionen Euro von einem Privatmann kaufen, ein Notartermin war schon vereinbart. Dem BLB kam allerdings ein Immobilienentwickler aus Essen zuvor, der das Speichergebäude zunächst erwarb. Später verkaufte er es, zusammen mit weiteren Grundstücken, die die Firma alles in allem weniger als fünf Millionen Euro gekostet hatten, für insgesamt 17,6 Millionen als Zwischenhändler doch noch an den BLB. Zusätzlich kassierte das Essener Unternehmen 12,3 Millionen Euro für einen zwischenzeitlich geschlossenen Mietvertrag sowie für Planungs- und Projektkosten. Insgesamt zahlte das Land für diese Transaktion knapp 30 Millionen Euro.
Existierte eine "schwarze Kasse"?
Die Ermittler der Staatsanwaltschaft Wuppertal hegen nun den Verdacht, dass in dieser Gesamtsumme eine "schwarze Kasse" enthalten war, aus der Bestechungsgelder gezahlt werden sollten. Dabei geht es vor allem um eine Summe von knapp drei Millionen Euro, die zunächst in einer Projektvereinbarung zwischen dem Essener Entwicklerunternehmen und einem Anwalt aus dem Rheinland auftaucht. Offiziell ging es in der Vereinbarung um Lobbyarbeit beim Land NRW, um die Projekte der Essener Firma günstig zu beeinflussen - was nicht strafbar ist. Vereinbart wurde eine Provision von drei Millionen Euro. Später wurde diese Vereinbarung aufgelöst, und nach Angabe der Beteiligten floss keine Provision. Auch die Existenz einer schwarzen Kasse bestreiten die Betroffenen auch nach den jüngsten Durchsuchungen. Dennoch landete ein rätselhafter Posten in der Aufstellung der Gesamtkosten für Grundstücke, Gebäude und eben Projektkosten, die dem BLB in Rechnung gestellt wurden. Dort fanden sich 2,9 Millionen Euro für als Vorleistungen erbrachte Projektkosten - die Wuppertaler Ermittler wittern hier einen Zusammenhang und vermuten, dass mit dem stolzen Kaufpreis auch eine "schwarze Kasse" finanziert wurde. Bei ihren Durchsuchungen haben sie nach Beweisen dafür geforscht, auf welchem Wege möglicherweise Provisionen verdeckt geflossen sind, die entsprechenden Auswertungen laufen noch.
BLB überwies 110 Millionen noch vor erstem Spatenstich
Polizeipräsidium in Köln-Kalk
Auch die Landespolitik beschäftigt das Landesarchiv weiterhin. Dem WDR vorliegende Dokumente beweisen, dass der landeseigene Baubetrieb BLB im Jahre 2010, noch vor dem ersten Spatenstich durch den damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), fast die gesamten Baukosten über knapp 110 Millionen an die Firma Hochtief überwiesen hat. Im Düsseldorfer Landtag sorgt dies für Aufregung.
Der Geldsegen wurde Anfang Februar 2010 verbucht. Auf den Konten der Essener Hochtief Construction AG gingen exakt 109.799.138,20 Euro ein, Absender war der landeseigene Baubetrieb BLB. Zu diesem Zeitpunkt regnete es noch in das ehemalige Speichergebäude im Duisburger Hafen hinein, hatten die Planer mehr als einmal die Sorge, dass die feuchten Mauern nicht trocknen würden. Außerdem gab es damals in der Landesregierung einzelne Stimmen, die davor warnten, im Duisburger Hafen ein Fass ohne Boden zu produzieren. Der christdemokratische Finanzminister Helmut Linssen hielt die Sache für so "unübersichtlich", dass er einen Ausstieg aus dem Prestigeobjekt der Staatskanzlei erwog.
Dass der landeeigene Baubetrieb in dieser Lage fast die kompletten Baukosten vorab an das Unternehmen Hochtief überwiesen hat, sorgt inzwischen im Landtag für Kritik. "Das ist ungeheuerlich, wie da mit dem Steuergeld umgegangen wurde", schimpft Markus Töns, der Finanzexperte der SPD-Landtagsfraktion. Weil die Baukosten schon vor dem ersten Spatenstich überwiesen worden sind, hat die neue rot-grüne Landesregierung inzwischen erhebliche Schwierigkeiten, aus dem Projekt auszusteigen. "Wir prüfen das, aber es wird schwer", sagte dazu die für die Kultur zuständige Ministerin Ute Schäfer (SPD).