Interview zum Überfall auf Journalisten

"Gewalt gegen Leute, die Rechten nicht passen"

Stand: 10.03.2015, 15:12 Uhr

Sie berichten kritisch, stellen sich den Rechtsextremen mit Bildern und Worten entgegen. Deswegen werden Journalisten von ihnen immer massiver bedroht - zuletzt in Dortmund. Eine neue Stufe in der Eskalationsspirale, findet Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler.

WDR.de: Herr Häusler, was haben Sie gedacht, als Sie von den Vorfällen in Dortmund hörten?

Alexander Häusler: Das ist erschreckend, aber nicht verwunderlich, wenn man sich die Entwicklung der Dortmunder Neonaziszene anguckt. Diese Taten sind ja auch mehr oder weniger angekündigt worden, zum Beispiel mit den anonymen Todesanzeigen.

WDR.de: Das klingt so, als wäre das eine Dortmunder Besonderheit.

Häusler: Nein, in Sachsen-Anhalt ist gerade ein Bürgermeister zurückgetreten, weil er sich bedroht fühlte, das ist nur eines von vielen Beispielen. Aber in Dortmund ist das schon sehr auf die Spitze getrieben worden. Das ist kein Späßchen mehr, das hat auch nichts mehr mit politischem Handeln zu tun, das sind einfach kriminelle Taten, die verfolgt und bestraft werden müssen.

WDR.de: Mit Aussicht auf Erfolg?

Häusler: Der Polizeipräsident in Dortmund hat dem jedenfalls Toppriorität eingeräumt und eine Soko Rechts eingerichtet. Da kann man hoffen, dass bald klar wird, wer dahinter steckt.

WDR.de: Sind das eigentlich spontane Aktionen, oder steckt eine Strategie dahinter?

Hakenkreuzschmiererei auf einer Hauswand

Häusler: Die extremen Rechten zeichnen sich grundsätzlich auf der Straße durch ein gewaltorientiertes Territorialverhalten aus. Sie versuchen also, bestimmte Räume und Gebiete zu besetzen, in der sie versuchen, eine Deutungshoheit zu erlangen und alle Leute zu verdrängen, die ihr nicht passen. Die NPD hat schon vor Jahren die Parole ausgegeben "Kampf um die Parlamente, Kampf um die Köpfe, Kampf um die Straße".

WDR.de: Sie meinen die "national befreiten Zonen".

Häusler: Richtig. Und gerade in Dortmund sagen die Neonazis: Das sind unsere Stadtteile, und die geben wir nicht mehr her. Das geht mit einer Drohkulisse gegen Menschen einher, die sich gegen Rechte engagieren oder kritisch darüber berichten.

WDR.de: Wie sieht diese Drohkulisse aus?

Häusler: Die Rechten suchen die Leute privat auf, veröffentlichen die privaten Adressen, schicken Drohbriefe. Sie werfen auch die Scheiben ein und beschädigen Autos. Das passiert auch in Wuppertal oder im Raum Aachen.

WDR.de: Presse-Arbeit also nur noch unter Polizeischutz?

Häusler: Im Extremfall schon. Das hat es schon gegeben, dass Journalisten, die in der Szene recherchiert haben, Polizeischutz bekommen haben.

WDR.de: Glauben Sie, dass die Journalisten sich von solchen Drohungen tatsächlich einschüchtern lassen?

Häusler: Natürlich wird das sich auswirken. Mir haben Journalisten erzählt, dass sie bei den Pegida-Demos direkt bedroht wurden, sie machen sich dann schon Sorgen. Aber das ist ein Thema und muss ein Thema bleiben, damit die Drohungen nicht den gewünschten Erfolg haben und die kritische Berichterstattung nicht zum Erliegen kommt. Im Gegenteil, das muss Anlass sein, noch genauer hinzuschauen und diese Dunkelszene zu beleuchten.